
Die DEL-Clubs halten sich mit Lockout-Verpflichtungen aus der NHL zurück - zu unsicher und zu teuer scheinen die Transfers. Doch auch ohne die Verpflichtung großer Stars können die Teams von der Situation in Nordamerika profitieren. sportal.de analysiert.
Fans und Medien in Deutschland freuen sich schon seit Wochen auf die großen Namen aus der NHL, die wegen des Lockouts ihren Weg in die DEL finden sollten. In der Tat brodelte die Gerüchteküche im September heftig, viele Namen waren im Gespräch.
Zwei Wochen nachdem der Lockout Realität geworden ist, sind mit den deutschen Nationalspielern Christian Ehrhoff (von den Buffalo Sabres zu den Krefeld Pinguinen) und Marcel Goc (von den Florida Panthers zu den Adler Mannheim) bisher lediglich zwei NHL-Spieler in der DEL aufgelaufen. Ende der Woche soll mit Dennis Seidenberg (von den Boston Bruins) ein weiterer im Dress der Adler folgen.
In der DEL überwiegt die Skepsis
Doch von einer Transfer-Euphorie ist wenig zu spüren. Die Verantwortlichen der DEL-Clubs halten sich mit Aussagen zurück oder äußern sich eher skeptisch über die Möglichkeit, Stars aus Nordamerika nach Deutschland zu holen. Beim letzten Spieler -Ausschluss der NHL, 2004, sicherten sich die DEL-Teams im Laufe der Spielzeit die Dienste von 24 Akteuren aus der besten Liga der Welt, darunter namhafte Superstars wie Andy McDonald (ERC Ingolstadt), Doug Weight (Frankfurt Lions) oder Jean-Sebastian Giguere (Hamburg Freezers).
Für die Zurückhaltung gibt es mehrere Gründe. Zunächst einmal ist es zurzeit ungewiss, wie lange die Spieler der DEL erhalten blieben. Die Dauer des Lockouts ist nicht abzusehen. Die Fronten scheinen aber weniger verhärtet als vor acht Jahren. Damals zeichnete sich früh ab, dass der Ausschluss erstmals in der Geschichte der NHL die gesamte Saison andauern würde, womit diesmal kaum zu rechnen ist. Ein Ende des Lockouts spätestens im November oder Dezember scheint derzeit das wahrscheinlichste Szenario zu sein - eine Perspektive, die Verpflichtungen unattraktiver macht.
Verschenkte Ausländerlizenzen für NHL-Spieler?
Die Ungewissheit bedeutet im Falle einer Verpflichtung für die DEL-Clubs große Planungsunsicherheit, zumal sich die Vereine im Vorfeld der Spielzeit darauf verständigt haben, keine Extra-Ausländerlizenz für NHL-Profis zu vergeben. Nimmt ein ausländischer Nordamerika-Profi also eine der Lizenzen in Anspruch, ist sie für die komplette Saison belegt, selbst wenn der Spieler schon nach wenigen Wochen wieder nach Übersee zurückkehrt. Die Gefahr, eine der elf Ausländerlizenzen wegen eines Kurzfrist-Engagements zu verschenken, ist also groß.
Ein weiteres Problem stellen die Versicherungssummen dar, die die Vereine für NHL-Profis auf den Tisch legen müssen. Sollte Christian Ehrhoff (NHL-Gehalt: über sechs Millionen Euro) tatsächlich bis zum Saisonende in Krefeld bleiben, müsste der KEV bis dahin 140.000 Euro nur für die Versicherung zahlen. Das ist mehr als die meisten Pinguin-Spieler während der gesamten Saison verdienen. Ohne einen Gehaltsverzicht Ehrhoffs, der bei den Pinguinen "aufgewachsen" ist und mit ihnen 2003 Deutscher Meister wurde, wäre der Wechsel wohl kaum zustande gekommen. Einen großen Batzen generieren die Krefelder zudem noch über zusätzliche Sponsoren- und Merchandising-Gelder.
Alex Sulzer: Ein NHL-Schnäppchen für DEL-Teams
Doch nicht alle Spieler sind so teuer, die Versicherungssummen variieren deutlich mit der Gehaltshöhe des Spielers und seiner Vertragslänge. Bei Alexander Sulzer, der zusammen mit Ehrhoff bei den Buffalo Sabres unter Vertrag steht, aber nur 550.000 Euro pro Saison verdient, beläuft sich die monatliche Versicherungssumme auf lediglich 2.000 Euro.
Welches Gehalt die DEL-Teams den NHL-Spielern zahlen, ist Verhandlungssache. Acht Prozent erhalten die NHL-Spieler trotz Streiks von ihren ursprünglichen NHL-Bezügen aus einem Fonds der Spielergewerkschaft der NHL. Im Falle Ehrhoffs beläuft sich dies auf eine halbe Millionen Euro, während Sulzer lediglich 45.000 Euro bekommt. Zusätzlich kassiert Ehrhoff von seinem Klub in dieser Spielzeit eine vertraglich vereinbarte einmalige Bonuszahlung in Höhe von fast vier Millionen Euro, die unabhängig vom Lockout ausgezahlt werden muss. Spieler wie Sulzer mit einem geringen NHL-Gehalt sind also eher geneigt, auch bei einem Gastspiel in Deutschland Geld zu fordern, als ein besser situierter Spieler wie Christian Ehrhoff.
DEG, Eisbären und Freezers Interessenten für NHL-Spieler
Nationalverteidiger Sulzer ist einer der Profis, die zurzeit in der Gerüchteküche gehandelt werden. Sein ehemaliger DEL-Club, die Düsseldorfer EG, scheint sich noch mit der Finanzierbarkeit des Transfers zu beschäftigen, wenngleich Teamchef Walter Köberle generell nicht viel von der Verpflichtung der NHL-Stars hält. Für den ehemaligen Düsseldorfer Sulzer würde er da eine Ausnahme machen.
Heißeste Kandidaten für eine weitere NHL-Verpflichtung schienen daneben die Anschütz-Klubs aus Berlin und Hamburg zu sein. Wenngleich Eisbären-Manager Peter-John Lee angesichts des schwachen Saisonstarts (vier Niederlagen in sechs Spielen) betont, dass der Meister nicht zu Panik-Transfers neigen, schloss der Deutsch-Kanadier eine baldige Kadernachbesserung auch in Form eines NHL-Profis nicht aus. Sein Kollege von den Hamburg Freezers, Stephane Richer, bekam bereits das OK für eine Lockout-Verpflichtung von den Anschütz-Bossen aus Übersee. Hier sind gleich mehrere Spieler der Los Angeles Kings im Gespräch und auch Verteidiger Christoph Schubert hat schon Kontakt zu ehemaligen Kollegen aus der NHL aufgenommen.
DEL-Clubs profitieren finanziell vom Lockout
Profitieren vom Lockout können die DEL-Clubs aber auch ohne die Verpflichtung der ganz großen Stars. So werden viele Spieler, die sich letztes Jahr die meiste Zeit in der AHL wiederfanden, deutlich billiger durch den Ausschluss, da junge Talente aus der NHL ihre Plätze in der AHL einnehmen. Die Transfers von Mark Bell (459 NHL-Spiele) zu den Iserlohn Roosters und von Steven Reinprecht (713 NHL-Spiele) zu den Nürnberg Ice Tigers wurden so möglich. Reinprecht verdiente im Vorjahr noch 1,7 Millionen Euro, obwohl er statt für die Vancouver Canucks in der NHL nur für Chicago Wolves in der AHL auflief. Der Vorteil gegenüber den Lockout-Profis: Diese Spieler bleiben die komplette Saison.
Trotz kritischer Expertenstimmen dürfte sich aber wohl der Großteil der Eishockey-Fans über weitere Stars aus der NHL freuen. Für die Anhänger der DEL-Clubs steigt mit jedem Tag des Lockouts und mit einer weiteren Verhärtung der Fronten in Nordamerika die Chance, doch noch den einen oder anderen Superstar in den Reihen ihres Teams bewundern zu dürfen.