Nach uns die Sintflut. Ein biblisches Unwetter ging über Donetsk nieder, dann gewannen England und Frankreich. Alles also wie erwartet in der Gruppe D? Wir ordnen die Leistungen von England und Frankreich ein, analysieren den Spieltag und wagen einen Ausblick: Wie geht es mit den Großmächten weiter bei dieser EM?
Das 1:1 zwischen England und Frankreich am Montag galt vielen Beobachtern als eines der schwächsten Spiele dieser bisher sehr unterhaltsamen EM. Nicht wenige durchaus sehr fachkundige Experten äußerten in und gegenüber unserer Redaktion die Ansicht, Frankreich "sei wohl doch nicht so stark". An der negativen Einschätzung der englischen Chancen hatte sich ohnehin nichts geändert.
Ein klassischer Fall der unterlassenen "Sein-Sollen-Trennung" im Sportjournalismus. Fußball sollte immer attraktiv und ereignisreich sein, und wenn er das nicht ist, dann ist er nicht "gut". Das mag aus ästhetischer Fanperspektive eine total legitime Einstellung sein, und wenn man alle zwei Jahre bei einem großen Turnier Fußball sieht, dann ist daran nichts auszusetzen, und man hat jedes Recht, auf RTL umzuschalten, wenn man zwei defensiv gut arbeitende Viererketten sieht.
Weit davon entfernt, irgendjemandem vorschreiben zu wollen, wie er Fußball zu konsumieren oder zu beurteilen hat, kommen wir aus professioneller Perspektive aber nicht daran vorbei, die Schnittstellen zwischen dem, sagen wir mal etwas überheblich: Publikumsgeschmack und den Prognosen über Erfolgsaussichten von Teams anzusprechen. Und die liegen nun einmal im journalistischen Bereich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Das ist ein Grund für die - für manchen vielleicht etwas zu oft vorkommenden - Auseinandersetzungen mit dem deutschen Fußballfernsehen in unseren Texten. Gespeist wird unsere Skepsis dabei nicht zuletzt von der WM 2010 und der kritischen Berichterstattung über Spanien und die Niederlande, deren knappe Siege als Ausweis mangelnder Klasse gesehen wurden.
Dieses Problem könnte nun im Fall von Frankreich und England erneut drohen - was noch nicht heißt, dass diese Teams das Finale unter sich ausmachen werden. Aber der Reihe nach. Zunächst muss das Unentschieden zum Gruppenauftakt im Kontext der Turnierperspektiven beider Mannschaften gesehen werden, was nach den zweiten Gruppenspielen leichter fällt, aber auch in einen größeren Zusammenhang der Entwicklung von England und Frankreich gestellt werden.