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Nur konsequent war es dementsprechend, dass die Mannschaft ohne echten Stürmer am Ende verdient das Turnier gewann. Interessant wird es jetzt sein, zu beobachten, ob sich andere Clubs oder Auswahlmannschaften dieses Trends bedienen. Barcelona spielte teilweise ohnehin schon so, aber für andere Mannschaften wäre es ein wirklicher Tabubruch.
Hinterher ist man immer schlauer, aber gegen Italien im Halbfinale hätte der DFB-Elf ein 4-3-3-0 vielleicht gut zu Gesicht gestanden, mit Toni Kroos als drittem zentralen Mittelfeldspieler, aber Thomas Müller auf rechts neben Mesut Özil. Einerseits hätte Özil so eher in seinem natürlichen Habitat agieren können, ohne dass andererseits die rechte Seite offen gewesen wäre wie eine noch nicht eröffnete Autobahn.
3) Auf Schland gebaut - der neue Tiefpunkt der deutschen Fußballeuphorie
Um eine sachliche Kritik an den Fehlern, die Joachim Löw im Rahmen des Halbfinals gegen Italien machte, haben wir uns bereits bemüht, zu den absurden Auswüchsen der negativen Beurteilung hat Arnd Zeigler in seinem schon legendären offenen Brief das meiste auch schon treffend bemerkt. Aber einen Erklärungsversuch dazu, warum es zu den Extremen in den Reaktionen auf Deutschlands Auftreten kommt, wollen wir zum Abschluss noch unternehmen.
Seit 2006 und der WM in Deutschland hat sich die sogenannte "Schland"-Euphorie etabliert, zu der untrennbar das öffentliche Anschauen von Turnierspielen auf Großbildleinwänden gehört wie die Beflaggung von Autos, Balkonen und Hautpartien. Damit einher ging eine wesentlich größere Aufmerksamkeit für die Nationalelf. So weit, so positiv für den DFB, vor allem, was die Vermarktungserlöse angeht. Adidas dürfte mit seinem neuen grünen Auswärtstrikot, das Deutschland während des Turniers nie trug, jedenfalls keinen Verlust gemacht haben, wenn der Eindruck aus den Innenstädten in den letzten Wochen nicht täuscht.
Ein allgemeines Interesse am Fußball geht mit der Begeisterung für die deutsche Mannschaft zwar auch einher (Fußball ist bei WMs und EMs praktisch der einzige Sport überhaupt, der im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ohne "deutsche Beteiligung" gesendet wird), aber ein Teil der Resonanz erklärt sich wohl auch mit der gefühlten nationalen Identität, einer Art Gemeinschaftsgefühl, das der Clubfußball mit seinen Rivalitäten so nicht bieten kann.
Wie problematisch oder unproblematisch man diese neue Form des öffentlichen Patriotismus findet, darüber gibt es in Deutschland unterschiedliche Auffassungen. Man könnte finden, dass Kritik an Spielern mit "Migrationshintergrund", weil sie die Nationalhymne nicht mitsingen, schon jenseits der Grenze des politisch Akzeptablen ist.