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Von: Daniel Raecke
Datum: 04. Juli 2012, 07:30 Uhr
Format: Artikel
Diskussion:
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Die Trends der EM 2012 - Stürmer auf der roten Liste, die deutsche Fußballeuphorie

Mario Balotelli, Italien, Spanien, Gerard Piqué
Spaniens Gerard Piqué (l.) im Duell mit Italiens Mario Balotelli

War die EM nun offensiv oder defensiv? Schwer zu sagen. Sind Stürmer vom Aussterben bedroht? Zumindest sind sie auf der Roten Liste. Und hindert Identifikation mit der deutschen Mannschaft Journalisten daran, ausgewogene Urteile zu fällen? Drei Themen drei Tage nach der Euro.

Ein paar Tage nach dem Ende der EM 2012 ist der Zeitpunkt gekommen, das Turnier im Ganzen einzuordnen und festzuhalten, welche Trends diese Euro hervorgebracht hat. Spaniens dritten Titel in Folge haben wir schon nach dem Endspiel gewürdigt, an dieser Stelle soll es also um allgemeinere Tendenzen und taktische Entwicklungen gehen.

1) Offensive oder Defensive? Beides!

Nach dem Champions League-Finale waren wir uns sicher, dass sich der dominante, ballbesitzorientierte Fußball auf dem Rückzug befinde, weil zu viele Teams herausgefunden hätten, wie man dagegen spielen muss. Die zunächst durch die Erfolge Dänemarks und Griechenlands sowie das Scheitern der Niederlande noch bestätigte Entwicklung kann nach der Titelverteidigung Spaniens nicht mehr so einfach aufrecht erhalten werden.

Richtig ist allerdings, dass die simple Gleichung "Ballbesitz + Torschüsse = Spielgewinn" weniger gilt denn je. Wenige Spiele in Polen und der Ukraine wurden dadurch entschieden, dass eine Mannschaft 90 Minuten Angriffsfußball spielte und dann irgendwann schon aus Gründen der statistischen Wahrscheinlichkeit eine seiner Chancen verwertete.

Das desolate Auftreten der Elftal war zudem der klarste Beleg dafür, dass individuelle Klasse in der Offensive allein völlig unzureichend ist, um im internationalen Fußball Erfolg zu haben (falls es dafür nach dem Argentinien-Debakel von 2010 noch eines Beweises bedurft hätte). Auch kann man nicht sagen, dass "Angriffsfußball" (was immer das genau ist) tatsächlich die EM geprägt hätte, wie es viele Medien in den letzten Tagen resümierten, weil die Anzahl der geschossenen Tore höher lag als bei der WM 2010.

Richtig ist nämlich auch, dass seit 1996 bei keiner EM so wenige Tore pro Spiel fielen wie in Polen und der Ukraine. Von den vier Halbfinalisten setzte sich nicht die Mannschaft mit den bis dahin meisten Treffern durch (Deutschland mit neun), sondern die mit den wenigsten (Italien mit vier). Italien und Spanien hatten zusammen in den ersten vier Turnierspielen weniger Gegentreffer kassiert als Portugal und Deutschland jeweils alleine.

"Offense wins Games, Defense wins Championships", diese alte Binsenweisheit stimmt aber auch nicht so einfach. Denn obzwar Spaniens Brillanz vor allem in seiner einmalig starken Defensive bestand (kein Gegentor in KO-Spielen seit 2006), gewann die Roja ja ebenso durch die Qualität ihres Spiels mit dem Ball und nicht primär dank einer kompakten Ordnung gegen den Ball (wie etwa Chelsea in der Champions League).

Was Spanien aber auszeichnete, war die überragende Stärke seines Mittelfeldes und dessen Zusammenspiels mit der Abwehr. "Angriff ist die beste Verteidigung" lässt sich hier so verstehen, dass das schnelle Gegenpressing bei Ballverlusten ein Schlüssel zum Erfolg der Roja war, und dass die größten Stars des Turniers nicht zuletzt Spieler waren, die im defensiven Mittelfeld beheimatet sind wie Andrea Pirlo, aber auch Xabi Alonso. Deutschlands bester Spieler Sami Khedira bekleidet nicht zufällig diese Position, bei England überzeugte Steven Gerrard am meisten. Wer jedoch nicht im Mittelpunkt stand, waren Stürmer.

2) No Country for Frontmen - die stürmerlose EM

Mehmet Scholl bekam viel Spott für seine Kritik an Mario Gomez, besonders, als der so kritisierte Angreifer im folgenden Spiel gegen die Niederlande zwei weitere Tore erzielte. Noch mehr Spott bekam dann allerdings Gomez selbst nach dem Halbfinalaus der deutschen Mannschaft zu hören. Die inakzeptable Form mancher Kritik am Münchner Spieler mag noch den Abgründen des deutschen Boulevardjournalismus geschuldet sein. Aber in der Sache war es tatsächlich nicht Gomez' Turnier.

Selten wurde das Problem so auffällig wie bei der Euro 2012: Wenn Gomez keine vernünftigen Anspiele bekommt, dann bekleidet er im deutschen Spiel eine verschenkte Position. Sein Repertoire erlaubt es weder, sich an elaborierten Passkombinationen zu beteiligen, noch kann er sich zurückfallen lassen, um im Eins gegen Eins Dribblings zu gewinnen. Gegen physisch starke und taktisch geschickte Innenverteidiger hat er einen schweren Stand. Das, was er kann, kann er allerdings exzellent: Sein Positionsspiel ist intelligent, seine Schusstechnik ist weit besser, als manche Kritiker meinen, und Kopfbälle kann Gomez auch. Er ist keinesfalls ein ungenügender Stürmer, er ist ein Stürmer, der nicht in jedem Spiel gleichermaßen zur Geltung kommt.

Die relative Schwäche von Mittelstürmern bei der Euro betraf aber nicht nur Gomez. Ob Milan Baros wirklich eine Hilfe für seine tschechische Mannschaft war? Wäre Portugal mit einem Weltklasse-Mittelstürmer (statt Helder Postiga und Hugo Almeida) Europameister geworden? Und Wayne Rooney war trotz seines Treffers gegen die Ukraine sicher nicht der Schlüsselspieler, auf den Roy Hodgson gewartet hatte.

Russlands eindrucksvolles Konterspiel konnte weder das Aus verhindern noch die Wortschöpfung "to Kerzhakov" des Guardian als Verb für "am leeren Tor vorbeischießen". Robin van Persie und Klaas Jan Huntelaar, die Torschützenkönige der Premier League und der Bundesliga, erzielten zusammen ein Tor beim kläglichen Vorrundenaus der Niederlande.

Vor allem aber die Spanier begannen am Ast zu sägen, auf dem der Stürmer in einem, äh, baumförmigen Taktikdiagramm abgebildet ist. In Abwesenheit von David Villa experimentierte Vicente del Bosque mit einer Art 4-3-3-0, was insgesamt besser funktionierte als Systeme mit Fernando Torres oder Álvaro Negredo. Sicher, Torres erzielte drei Tore. Aber zwei davon gegen Irland, das schwächste Team des Turniers, und eines gegen zehn Italiener in der Schlussphase des entschiedenen Endspiels.

Nur konsequent war es dementsprechend, dass die Mannschaft ohne echten Stürmer am Ende verdient das Turnier gewann. Interessant wird es jetzt sein, zu beobachten, ob sich andere Clubs oder Auswahlmannschaften dieses Trends bedienen. Barcelona spielte teilweise ohnehin schon so, aber für andere Mannschaften wäre es ein wirklicher Tabubruch.

Hinterher ist man immer schlauer, aber gegen Italien im Halbfinale hätte der DFB-Elf ein 4-3-3-0 vielleicht gut zu Gesicht gestanden, mit Toni Kroos als drittem zentralen Mittelfeldspieler, aber Thomas Müller auf rechts neben Mesut Özil. Einerseits hätte Özil so eher in seinem natürlichen Habitat agieren können, ohne dass andererseits die rechte Seite offen gewesen wäre wie eine noch nicht eröffnete Autobahn.

3) Auf Schland gebaut - der neue Tiefpunkt der deutschen Fußballeuphorie

Um eine sachliche Kritik an den Fehlern, die Joachim Löw im Rahmen des Halbfinals gegen Italien machte, haben wir uns bereits bemüht, zu den absurden Auswüchsen der negativen Beurteilung hat Arnd Zeigler in seinem schon legendären offenen Brief das meiste auch schon treffend bemerkt. Aber einen Erklärungsversuch dazu, warum es zu den Extremen in den Reaktionen auf Deutschlands Auftreten kommt, wollen wir zum Abschluss noch unternehmen.

Seit 2006 und der WM in Deutschland hat sich die sogenannte "Schland"-Euphorie etabliert, zu der untrennbar das öffentliche Anschauen von Turnierspielen auf Großbildleinwänden gehört wie die Beflaggung von Autos, Balkonen und Hautpartien. Damit einher ging eine wesentlich größere Aufmerksamkeit für die Nationalelf. So weit, so positiv für den DFB, vor allem, was die Vermarktungserlöse angeht. Adidas dürfte mit seinem neuen grünen Auswärtstrikot, das Deutschland während des Turniers nie trug, jedenfalls keinen Verlust gemacht haben, wenn der Eindruck aus den Innenstädten in den letzten Wochen nicht täuscht.

Ein allgemeines Interesse am Fußball geht mit der Begeisterung für die deutsche Mannschaft zwar auch einher (Fußball ist bei WMs und EMs praktisch der einzige Sport überhaupt, der im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ohne "deutsche Beteiligung" gesendet wird), aber ein Teil der Resonanz erklärt sich wohl auch mit der gefühlten nationalen Identität, einer Art Gemeinschaftsgefühl, das der Clubfußball mit seinen Rivalitäten so nicht bieten kann.

Wie problematisch oder unproblematisch man diese neue Form des öffentlichen Patriotismus findet, darüber gibt es in Deutschland unterschiedliche Auffassungen. Man könnte finden, dass Kritik an Spielern mit "Migrationshintergrund", weil sie die Nationalhymne nicht mitsingen, schon jenseits der Grenze des politisch Akzeptablen ist.

Aber was uns an dieser Stelle vor allem beschäftigt, sind die Folgen für Sportjournalismus. Hier gibt es ohnehin eine verbreitete Trennung der Berufsauffassung in diesem Land. Bei Bundesligaspielen oder innerdeutschen Wettkämpfen überhaupt gilt das strikte Neutralitätsgebot. Das heißt nicht, dass man als Journalist kein Fan einer Mannschaft sein kann, aber man darf es im überregionalen Fernsehen, Radio oder Internet auf keinen Fall offen zugeben.

Sobald es um einen Wettkampf zwischen deutschen Sportlern oder Clubs und Nichtdeutschen geht, verschwindet dieses Ethos und wird geradezu durch ein Gebot der Parteilichkeit ersetzt. Dass sich das bei dieser EM im Sprechen in der ersten Person Plural über die deutsche Mannschaft durch den NDR-Kommentator Gerd Gottlob im Spiel gegen Portugal äußerte, scheint uns neu. Gottlob gab auch sprachlich jede Distanz auf und sagte Sätze wie: "Wir sind noch nicht in Schwung gekommen". Das mag der ARD dann doch zu viel gewesen sein, im weiteren EM-Verlauf wurde zumindest wieder die dritte Person bemüht, wenn Deutschland-Spiele übertragen wurden.

Das "Wir" könnte vielen Zuschauern sogar gefallen haben, gehört es doch in einer abgeschwächten Form zum Standard im deutschen Sportfernsehen, wo der Kommentator gerne sagt: "Wir hoffen natürlich, dass (Sportler X) diesen Rückstand noch aufholen kann", wobei dann unklar ist, ob damit "wir" in der Redaktion gemeint sind, "wir" = "Sie zu Hause wollen das doch auch, wie ich weiß" oder gleich "Wir Deutschen". Wie gesagt: Viele Fans werden das begrüßen und für "ganz normal" halten. Andere nehmen es vielleicht hin und finden es nicht so wichtig.

Fast undenkbar im deutschen Sportjournalismus, dass jemand einen so grundlegenden Essay veröffentlicht wie der Brite Paul Gardner in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift World Soccer, der ein Plädoyer dafür verfasste, dass Sportjournalisten gar keine Fans sein dürften, weder eines Clubs noch eines Landes (Artikel leider nicht online abrufbar). Ob man das nun für sinnvoll oder überhaupt realistisch hält oder nicht: Die Frage scheint nach der EM relevant, inwiefern die übermäßige Identifikation von Medien mit einzelnen Sportlern oder Teams die Urteilsfähigkeit des Journalisten einschränkt.

Im Fall der Bild war das offensichtlich der Fall, als vom "Wir" ("Uns stoppt keiner mehr", "Vor Spanien brauchen wir keine Angst zu haben", guter Überblick auf Bildblog) nach dem Aus umstandslos wieder in die zweite und dritte Person gewechselt wurde ("Ihr seid zu soft für den Titel", "Denen geht's echt zu gut"). Nach 15 Siegen in Folge knapp gegen eine Weltklassemannschaft zu verlieren und das vierte Halbfinale in Serie erreicht zu haben (was außer Deutschland keine andere europäische Mannschaft jemals schaffte), kann sicher kritisiert werden, auch in der Art und Weise. Aber ein "Versagen" ist es fast schon objektiv nicht.

Sowohl im ansteigenden Bereich der Fieberkurve (in der alle Gegner herabgewürdigt werden, die späteren Finalisten Spanien und Italien hatten sich bei Bild nur ins Viertelfinale "gemogelt"), oder nach der Enttäuschung der Gefühle (in der sich die plötzlich gegenstandslosen Emotionen entweder gegen den Gegner oder gegen die "eigene" Mannschaft richten) fehlt es an Einordnung und Ausgewogenheit. Sicher sind die hier zitierten Beispiele aus der größten deutschen Boulevardzeitung nicht auf alle deutschen Medien zutreffend, aber ein Blick auf die auch unter unseren Lesern geführten Debatten nach dem Halbfinale zeigt, wie weit verbreitet die negativen Stimmen sind.

Damit soll enttäuschten Fans keineswegs das Recht abgesprochen werden, eben gerade nicht "objektiv" zu sein. Warum kaum jemand findet, dass es zur Berufsanforderung eines Journalisten zählen sollte, es zu sein, ist aber rätselhaft.

Daniel Raecke