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1) Das perfekte Spiel des Xabi Alonso: Sechs Jahre nach der Nacht von Hannover
Kehren wir dazu kurz zur angesprochenen Nacht von Hannover zurück: Xabi Alonso war damals erst 24 und stand, als Liverpool-Profi, in der Startelf gegen Frankreich. Der Baske musste das 1:3 miterleben, in dem David Villas Führungstor vor der Pause von Franck Ribéry egalisiert worden war, ehe in den letzten sieben Minuten Patrick Vieira und Zinedine Zidane das Spiel für den späteren Vizeweltmeister gewannen.
Am 23. Juni 2012 war alles anders. Alonso bestritt sein 100. Länderspiel für Spanien und erzielte beide Tore zum Halbfinaleinzug - Zidane, 2006 noch Gegenspieler und Superstar, feierte derweil am gleichen Tag seinen 40. Geburtstag, ist inzwischen aber nicht mehr in Frankreich, sondern Sportdirektor von Real Madrid, Alonsos Club.
Der sympathische Alonso verkörperte in Donetsk alles, was Spaniens Sieg ausmachte: Er brachte fast 90 Pässe an den Mann, womit er ausnahmsweise sogar Xavi in den Schatten stellte - den Gegner sowieso, von dem nur Yann M'Vila auf die Hälfte dieses Werts kam. Und er erkannte die Situation, als Spanien das Spiel in der 19. Minute nach links verlagerte, wo Jordi Alba sich gegen Anthony Réveillere durchsetzte und eine perfekte Flanke auf den Kopf des auf der Gegenseite in den Strafraum gestarteten Alonso servierte, der dann auch noch komplette Kopfballtechnik mit seinem gegen die Laufrichtung von Hugo Lloris auf den Boden gedrückten Abschluss demonstrierte.
Schließlich verwandelte Alonso den Foulelfmeter zum 2:0 ganz souverän, nachdem er in der ersten Hälfte Cesc Fábregas mit einem Zuspiel geschickt hatte, das nach dessen Zweikampf mit Gael Clichy auch schon einen Strafstoß hätte nach sich ziehen können. Diese runde Leistung muss auch zum Anfang einer Spanien-Analyse mal gewürdigt werden, weil man Xabi Alonso sonst nicht immer gerecht wird. Doch auch das Spiel gegen Frankreich wurde nicht durch die Klasse von Einzelnen entschieden, sondern durch die bessere Mannschaft als Kollektiv.
2) Perfekte Dreiecke: Der Einsatz des Pythagoras
Dass Spanien das tatsächlich nicht atemlos auf und ab wogende Spiel mit ökonomischem Einsatz kontrollierte, lässt sich nicht bestreiten. Das mag man, wieder einmal, aus ästhetischem oder Samstagabend-Unterhaltungsgesichtspunkt kritisieren, und man kann es vielleicht auch langweilig nennen, wie in einer über Twitter ausgetragenen Debatte zwischen britischen und spanischen Sportjournalisten. Aber den Fehler, diese Ökonomie und die Abwesenheit von gegnerischen Angriffen als Argument dafür zu nehmen, Spanien sei "nicht mehr so gut", den muss man doch nach sechs Jahren nun nicht mehr immer wiederholen.