
Experten unter sich: Deutschland habe bessere EM-Chancen als Spanien, weil der Europameister keine Alternativen zu seinem eingefahrenen Spielsystem habe, so unsere Analyse von gestern. Weit gefehlt. Was nichts an Cesare Prandellis Status als bisheriger Trainer des Turniers ändert. Das, ein Appell an Michel Platini und die gewohnte Lobpreisung des Defensivfußballs finden Sie in unserer Taktikanalyse.
Nicht einmal 24 Stunden konnten wir unsere Meinung, Deutschland - Portugal sei das beste EM-Spiel gewesen, aufrechterhalten. Denn dann kam das Match zwischen den beiden letzten Weltmeistern Italien und Spanien in Danzig. Das hochklassige 1:1 lieferte uns Anlass, unsere bisherigen Annahmen zu überprüfen. Einige wurden bestätigt, andere müssen wir in Zweifel ziehen. Aber der Reihe nach.
1) Defense wins Championships, die Fortsetzung
Wir wollen unsere Leier von der neuen Ära des Defensivfußballs nicht überstrapazieren, nur für diejenigen, die sich jetzt erst eingeschaltet haben: Was bisher geschah. Dass dominante Teams nur noch in Ausnahmefällen ihre Spiele klar gewinnen, wenn es in Europa zur Sache geht, wurde auch in Danzig eindrucksvoll bestätigt. Noch nie hat eine Nationalmannschaft drei internationale Turniere in Folge gewonnen, und auch Spanien wird es schwer haben, mit der gleichen Spielweise erneut zum Titel zu kommen.
Cesare Prandelli hatte - vor allem gemessen an den personellen Problemen mit dem Ausfall Andrea Barzaglis und der Nichtnominierung Domenico Criscitos - seine Mannschaft exzellent auf Spanien eingestellt und war dabei keineswegs dem Trend gefolgt, zwei tiefe Viererketten aufzustellen und abzuwarten. Mit Chelseas Auftritten in München und Barcelona hatte Italiens Spiel wenig zu tun. Die taktische Ausbildung vieler italienischer Trainer, die hier immer wieder neue Varianten kreiert, hat in jüngster Zeit schon in der Serie A das Phänomen der Dreierkette hervorgebracht.