Nach dem tödlichen Sturz von Perspektivkaderreiter Benjamin Winter bei der Vielseitigkeit in Luhmühlen hofft Bundestrainer Hans Melzer auf eine Fortsetzung des Turniers nach jetzigem Standard.
Der 63-Jährige verwies darauf, dass in punkto Sicherheit viel unternommen worden sei. "Es ist schon eine Menge verbessert worden in den vergangenen Jahren", sagte Melzer im Interview mit dem "SID".
Wie Melzer ausführte, seien die Geländestrecken deutlich verkürzt worden. In Luhmühlen habe man zudem Vorsorge bei den Hindernissen getroffen. "Bei sieben Sprüngen waren Pins eingebaut, die nachgeben, wenn zu großer Druck von oben auf dem Hindernis lastet. Aber wenn alles abwerfbar wäre wie im Springreiten, wäre das nicht mehr unsere Sportart", betonte der 63-Jährige.
Melzer, der im benachbarten Putensen zu Hause ist, wünschte sich, dass das Ansehen der einzigen deutschen Vier-Sterne-Prüfung nicht zu sehr leidet. "Ich hoffe, Luhmühlen erleidet keinen Imageschaden, denn schon seit 1949 wird hier die Vielseitigkeitsreiterei betrieben", sagte der 63-Jährige, der die deutsche Mannschaft bei den letzten beiden Olympischen Spielen zu Doppel-Gold geführt hatte.
Zwei Todesfälle an einem Wochenende
Im vergangenen Jahr war in der Lüneburger Heide das französische Pferd Petite Bombe zu Tode gekommen, an Wochenende starben Winter sowie der Fuchswallach Liberal nach schweren Stürzen im Gelände. "Der Reit-Weltverband FEI wird das alles aufarbeiten. Auch weil es viel mehr Prüfungen gibt als früher, bewegen wir uns bei Stürzen im Promillebereich, in Prozenten kann man das gar nicht ausdrücken", meinte Melzer.
Der Deutsche Tierschutzbund indes kritisierte die Vorgänge in der Vielseitigkeitsreiterei. "Die Wettkämpfe in der Disziplin Vielseitigkeit sind für die Pferde eine Tortur, unübersichtliche, feste, gefährliche Hindernisse und Streckenführung führen zu einer Überforderung von Pferd und Reiter. Der Ehrgeiz der Reiter steht über dem Wohlbefinden von Mensch und Tier, und das kritisieren wir", teilte der Verein mit.
Weiterhin unerklärlich blieb Melzer, warum Winter bei seinem Anritt auf Hindernis 20 das Tempo nicht gedrosselt hat. Nach Augenzeugenberichten wurde der Warendorfer bei einem missglückten Absprung aus dem Sattel gehoben und prallte mit dem Gesicht auf den Boden.
"Er war top vorbereitet, hatte nach seiner ersten guten Runde überhaupt keinen Druck. Ich kann am Ende nicht sagen, was der Grund für dieses Unglück war. Wir haben jeden Sprung genau besprochen, er saß im Sattel eines sehr rittigen und sprungsicheren Pferdes", so Melzer.
"Fürcherlicher Pechtag"
Der Schock saß bei dem Coach auch zwei Tage nach dem schrecklichen Unfall noch tief. "Es war ein fürcherlicher Pechtag, der tragisch endete. Am Ende möchte man natürlich überhaupt keinen Sturz erleben. Wir sind alle noch sehr nachdenklich, man kann das nicht schnell mal abschütteln. Deshalb steht den Reitern auch die Sportpsychologin Gaby Bußmann, eine ehemalige Weltklasse-Leichtathletin (400 m), zur Verfügung. Aber ein letztes Restrisiko kann man nie ausschließen", erklärte der Erfolgscoach.
Im Falle des verstorbenen Fuchswallachs Liberal, der ebenfalls auf der 6600 m langen Geländestrecke sein Leben verlor, war ein Aorta-Abriss die Ursache des Todes. "Das kann auch in der Ruhephase und beim Spazierenreiten vorkommen, sogar auf der Weide haben wir das schon erlebt", erklärte Melzer, der zu großen Stress bei den Tieren durch das Turniergeschehen ausschloss: "Die Tierärzte können diese nicht seltene Gewebeschwäche vorher nicht erkennen. Daher hat das alles nichts mit Spitzensport und Überforderung zu tun."