
Fußball ist ein Spiel mit 22 Spielern, und am Ende verlieren die Deutschen. Ist die DFB-Elf inzwischen das Gegenteil einer Turniermannschaft? Waren die Umstellungen von Joachim Löw sinnvoll? Und was macht Italien so stark? In unserer Taktikanalyse versuchen wir auch, die Gesamtleistung des Bundestrainers seit 2006 einzuordnen.
1962, 1970, 1978, 1982, 1988, 1996, 2006, 2012 - die Litanei der von Deutschland gegen Italien nicht gewonnenen Pflichtspiele würden selbst die Sportfreunde Stiller nicht in einen Vers bekommen. Diesmal als klarer Favorit mit einer Siegesserie im Rücken ins Halbfinale gegangen, wurde die DFB-Auswahl einmal mehr von den Azzurri verdient besiegt.
Dass Cesare Prandellis Italiener ein schwerer Gegner werden würden, das war spätestens nach ihrem eindrucksvollen Auftaktspiel gegen Spanien klar gewesen. Aber auch in unserer Redaktion hatte vor dem Halbfinale von Warschau die Einschätzung vorgeherrscht, diesmal könne es eigentlich klappen. So "logisch" war Deutschland als Europameister dann aber doch nicht, wie wir angenommen hatten.
War das Halbfinale mehr als ein Fußballspiel, nämlich ein Symbol für bestimmte Schwächen dieser Generation deutscher Spieler? Bevor wir uns solchen großen Fragen zuwenden, sehen wir uns erstmal im Detail an, was genau passiert ist.
1) Die Umstellungen von Löw - Schuld an der Niederlage oder Nebensache?
Vor dem Spiel war darüber spekuliert worden, ob Italien wieder zur gegen Spanien so gut funktionierenden Dreierkette zurückkehren würde, oder ob wie gegen die 4-4-2-Teams Irland und England eine Mittelfeldraute um Andrea Pirlo vor einer Viererkette agieren würde. Doch es war nicht Cesare Prandelli, der sein System komplett dem Gegner anpasste, sondern Löw, vor dem Spiel noch mit der Aussage zitiert, seine Mannschaft solle "frech und mutig" spielen, der seine Herangehensweise mehr an der Stärke des Gegners als an der eigenen ausrichtete.
Um Andrea Pirlo nach dessen Weltklassespiel gegen England einzuengen, brachte der Bundestrainer Toni Kroos neu in die Startelf - nominell als Ersatz von Marco Reus, faktisch aber nicht rechts, sondern zentral als direkten Gegenspieler von Italiens Spielmacher. Mesut Özil rückte dafür manchmal nach rechts, spielte aber insgesamt auch eher zentral. Diese Maßnahme war der interessanteste Aspekt unter den drei Umstellungen bei der Nationalmannschaft, und sie hatte Auswirkungen auf beide anderen Personalien.