(Seite 4 von 5)
Balotelli kann so viel, dass es schwer fällt, einen anderen so vielseitigen Stürmer im aktuellen Weltfußball zu bestimmen. Schussstärke und Präzision, Tempo, Grundtechnik, Physis, Zweikampfstärke und Unberechenbarkeit - der erst 21-Jährige hat alles. Tatsächlich hat er so viel, dass man sich wundern muss, warum er nicht noch erfolgreicher ist, was die Torquote angeht. Aber sollte er im Finale noch ein weiteres Tor erzielen, wird das bald niemanden mehr beschäftigen.
4) Deutschland - das Gegenteil einer Turniermannschaft?
Der Kontrast zu früheren Turnieren (oder zumindest zum Klischee früherer deutscher Turniere) wird immer größer: Wo die Nationalmannschaft früher für ihren unattraktiven, aber erfolgreichen Fußball berüchtigt und gefürchtet war, schwärmt man jetzt landauf, landab von der deutschen Auswahl - aber sie gewinnt keinen Blumentopf mehr. Das sollte keinesfalls als Plädoyer für eine Rückkehr zu "deutschen Tugenden" verstanden werden.
Aber die Frage drängt sich auf, warum Deutschland keine Spiele mehr gewinnen kann, in denen es die schlechtere Mannschaft stellt. Seit der WM 2006 hat sich das Muster etabliert, dass das DFB-Team gut spielt, bis es an seine Grenze kommt - diese hieß jetzt seither zweimal Italien und zweimal Spanien. In jedem Fall war der Gegner dann einfach zu stark. Mag sein, dass das einfach nur der normale Zustand ist, den viele Fußballnationen kennen: Man gewinnt halt auch mal längere Zeit keinen Titel.
Doch die Kontinuität, die seit 2001 darin besteht, dass deutsche Mannschaften keine internationalen Titel mehr holen, weder auf Clubebene noch bei großen Turnieren, wirft Fragen auf, was verloren gegangen ist gegenüber den Zeiten, in denen das noch ganz anders war. In den letzten elf Jahren verloren deutsche Teams sieben Finals und gewannen keines. In den zehn Jahren davor gab es sechs Titel (Europameister, zweimal Champions League, zweimal UEFA Cup, einmal Pokal der Pokalsieger). Zwischen 1972 und 1983 waren es gar elf internationale Trophäen.
Einfache Antworten auf diese Fragen gibt es allerdings nicht, und man sollte sich davor hüten, nun die simple "früher hatten wir noch Führungsfiguren wie Effenberg im Team"-Leier anzustimmen. Gerade im Verbandsbereich hat Deutschland seit dem EM-Debakel 2000 vieles richtig gemacht, die Jugendausbildung professionalisiert und für die Nationalelf einen teuren, aber auch sehr gut arbeitenden Trainerstab installiert. Dieser wird natürlich an Titeln gemessen. Das greift aber vielleicht den entscheidenden Schritt zu kurz.