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Wenn im Finale kein Wunder mehr geschieht, wird Cesare Prandelli der Trainer des Turniers sein. Gemessen an der Klasse seines Spielerkaders waren die Leistungen der Azzurri gegen Spanien und Deutschland noch beeindruckender als die der Deutschen gegen die Niederlande oder die Portugals gegen Spanien, auch beides taktische Meisterleistungen. Was aber macht Italien eigentlich so stark?
Weit mehr als nur die Klasse von Pirlo oder Mario Balotelli ist es die ganze Spielanlage der Italiener, die es so schwer macht, gegen sie zu bestehen. In einer Zeit, in der viele Teams eine zweite Viererkette fünf Meter vor dem eigenen Strafraum parken, setzt Prandelli auf einen Spielmacher direkt vor der eigenen Abwehr, der von zwei weiteren Sechsern flankiert wird. Diese Sechser aber, Claudio Marchisio und Daniele de Rossi, sind selbst ihrerseits richtig gute Fußballer, die passen und schießen können.
Idealtypisch sind das alles Spieler, die defensiv und offensiv gleichermaßen stark sind. Wer das nicht glaubt, der sehe sich noch einmal an, was Pirlo für Wege auch gegen den Ball zurücklegte. Alle italienischen Mittelfeldspieler verstehen es, zu pressen, lassen sich aber auch immer mal wieder als Kette zurückfallen. Diese Fähigkeit, das Tempo des Spiels zu variieren, hebt sich im Halbfinalquervergleich positiv von Portugal ab, das sein konsequentes Pressing so intensiv verfolgte, dass am Ende die Kräfte ausgingen.
Anders als wir etwas vereinfachend angenommen hatten, ist das nicht die EM der Defensive - sondern die EM der Mannschaften, deren Spieler am besten defensive und offensive Aufgaben kombinieren können.
3) Mario Balotelli: Wenn der Postmann zweimal klingelt
Mario Balotelli erklärte kürzlich auf die Frage, warum er Tore nicht bejubele, das sei nur sein Job. Ein Briefträger bejubele es ja auch nicht, wenn er einen Brief zustelle. Im italienischen Nationaltrikot hatte Balotelli bisher noch nicht viele Absender angetroffen. Anders als in Manchester, wo er für City immerhin 27 Tore in zwei Jahren frankierte.
Mit seinen beiden Treffern gegen Deutschland verdoppelte Balotelli sein Torekonto für Italien. Kurioserweise traf er bisher nur in Polen für die Azzurri - seine anderen beiden Tore fielen in der Vorrunde gegen Irland und im vergangenen Herbst bei einem Testspiel in Breslau. Spätestens mit der Matchwinner-Performance gegen Deutschland dürfte Balotelli die Fußballwelt von seiner Klasse überzeugt haben, die sich bisher viel zu sehr mit seinem Charakter und seinem Privatleben beschäftigte.