Mario Gomez, Held von Kharkiv: Wer wollte dem widersprechen? In unserer Analyse geht es aber nicht um die Frage, was Mehmet Scholl eigentlich beruflich macht, sondern um die taktischen Gründe für den Sieg im Klassiker, die deutschen Titelchancen (einmal mehr, aber wo wir gerade dabei sind) und einen Vergleich mit Italien.
Mit einer ökonomischen, aber vollauf überzeugenden Vorstellung hat Deutschland den Klassiker gegen die Niederlande gewonnen und seinen Status als Mitfavorit auf den Titelgewinn klar bestätigt. Als einziger der großen EM-Teilnehmer hat die DFB-Elf nach zwei Spielen sechs Punkte gesammelt.
Alle Pflichtspiele seit dem Halbfinalaus gegen Spanien vor zwei Jahren bei der WM hat Deutschland jetzt gewonnen - eine Statistik, die um so beeindruckender ist, wenn man bedenkt, dass nur vier von zwölf Testspielen in diesem Zeitraum gewonnen wurden. Die Effizienz ist also unbestreitbar, aber wie wir schon nach dem 1:0 gegen Portugal geschrieben haben, ist das nicht mit der Effizienz alter, rumpeliger Tage zu verwechseln.
Es war der vierte Pflichtspielsieg über die Elftal in der deutschen Länderspielgeschichte. Nach den ersten drei wurde jeweils ein internationaler Titel gewonnen: bei der WM 1974 durch das 2:1 im Endspiel, bei der EM 1980 nach dem 3:2 in der Vorrunde und bei der WM 1990 nach dem 2:1 im Achtelfinale. Das macht den historischen Status des Erfolgs von Kharkiv ebenso deutlich wie die Tatsache, dass die Niederlande noch nie in ihrer Turniergeschichte zur Pause mit zwei Toren zurückgelegen hatten.
Die Gründe für das Ergebnis lagen wohl zu gleichen Teilen in dem begründet, was die Deutschen richtig und dem, was Oranje falsch machte - und natürlich in den Wechselbeziehungen von beidem. Sehen wir uns einzelne Aspekte des Klassikers genauer an.
1) Taktische Disziplin 2012
Unbestreitbar waren die Tore von Mario Gomez spielentscheidend, und das gilt auch für die beiden Vorlagen von Bastian Schweinsteiger. Aber der Unterschied zwischen den beiden nominell gleich starken Teams bestand keineswegs nur in diesen beiden Szenen. Deutschland war schlicht und einfach die bessere Mannschaft, und zwar nicht wegen der individuellen Klasse ihrer Spieler, sondern wegen der richtigen taktischen Einstellung.