
Zwei Halbzeiten, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Nach Schweden und Arsenal zeigte auch Hannover 96 wie schnell sich das Blatt wenden kann. Sechzehn Minuten reichten, um ein komplettes Bundesligaspiel auf den Kopf zu stellen.
Fünf Spiele war der VfB ungeschlagen, belegte den zehnten Tabellenplatz. Die 96er hatten eine Schwächephase von drei sieglosen Partien durch den Erfolg gegen Augsburg am vergangenen Wochenende überwunden und sich wieder auf Rang Sechs verbessert.
Beide Trainer nahmen Wechsel in ihrer Startformation vor: Bruno Labbadia änderte seine Mannschaft auf einer Position, so kam Zdravko Kuzmanovic zum Einsatz, da Kvist verletzt ausfiel. Und auch Mirko Slomka stellte sein Team im Vergleich zur Europa League auf einer Position um. Didier Ya Konan bekam im Sturm eine Pause verordnet, dafür lief Artur Sobiech auf.
VfB Stuttgart beginnt stark
Von Anfang an konnten die 50.000 Zuschauer in der Mercedes-Benz Arena eine kampfbetonte Partie beobachten. Weder der VfB noch die Gäste aus Hannover scheuten den Zweikampf. Doch in den ersten zehn Minuten sollten beide Mannschaften mit vielen Fehlpässen "glänzen". Die Labbadia-Elf versuchte das Spiel über die Außen aufzuziehen, suchte immer wieder den agilen Ibrahima Traoré und den Shooting-Star Raphael Holzhauser, die beide aber zunächst glücklos blieben. 96-Trainer Slomka vertraute auf zwei gut gestaffelte Viererketten, die den Schwaben kaum Platz zum kombinieren ließen.
Ein Fernschuss vom Österreicher Holzhauser sollte für die Schwaben ein Weckruf sein. Seinen Ball aus 18 Metern lenkte Ron-Robert Zieler im Kasten der Roten über das Tor. Bei der anschließenden Ecke kam Martin Harnik zum Kopfball, Zieler parierte, Arthur Boka setzte zum Nachschuss an, doch Zieler hielt erneut. Der VfB machte nun richtig Druck. 96 kam kaum noch zur Entlastung, Vedad Ibisevic' Schuss landete auf und nicht in dem Tornetz.
Stuttgart rollte nun Angriff um Angriff, Ibisevic verlagerte mit einem eleganten Pass das Spiel auf Holzhauser, der hatte genug Platz zum Flanken, nachdem der Ball an Mann und Maus vorbei flog, fand er in Christian Gentner einen glücklichen Abnehmer. Der zuletzt überzeugende Mittelfeldspieler schloss überlegt ins lange Eck ab (21).
Die 96er schienen geschockt, hatten aber nur Minuten später die große Chance zum Ausgleich. Holzhauser mit einem Blackout-Pass direkt in den Lauf von Hannovers Toptorschützen Mame Diouf, doch der Senegalese zielte zu genau. Frei vor Sven Ulreich setzte er das Leder an den Innenpfosten. Der VfB schüttelte sich kurz und kam wieder zurück ins Spiel.
Ibisevic trifft vom Punkt
Nach einem gut ausgespielten Konter wurde Gentner von dem schwachen Szabolcs Huszti im Strafraum gefoult. Ibisevic trat an und machte es besser als am 1. Spieltag als er gegen Wolfsburg verschoss. Der Ball landete im oberen rechten Eck. Fortan dominierten die Schwaben das Geschehen bis Schiedsrichter Dr. Felix Brych punktgenau zur Halbzeit pfiff.
Mirko Slomka schien zunächst die richtigen Worte zum Pausentee gefunden zu haben. Ohne Kuchen aber mit Jan Schlaudraff für Huszti und einer Menge Wut im Bauch liefen die 96 er in den ersten zehn Minuten wütend an. Irgendein Schwaben-Bein schmiss sich jedoch rechtzeitig immer wieder dazwischen. Vor allem Georg Niedermeier zeigte sich hier als erfolgreichster Störer.
Sechzehn Minuten zum Glück
Doch was sich dann ab der 57. Minute in Stuttgart abspielte passte auch auf keine wohlgenährte Ländle-Kuhhaut mehr. Innerhalb von sechzehn Minuten wandelten die Niedersachsen einen 0:2 Rückstand in eine 4:2 Führung um. Wie das ging? Genau so: Alles begann mit einem Fehler von Arthur Boka, der einen hohen Ball im Strafraum annehmen wollte, aber viel zu lange wartete, Lars Stindl sprintete dazwischen, passte in die Mitte, Ulreich ließ prallen, Sobiech nutzte den Abstauber zum Anschlusstreffer.
Acht Minuten später schoss Diouf Serdar Tasci im Sechzehner den Ball an die vom Körper-weg-gestreckte Hand. Brych pfiff Elfmeter. Der eingewechselte Schlaudraff traf in den linken Winkel (65.) Drei Minuten später passte Stindl in die Nahtstelle der VfB-Abwehr auf Diouf, der scheiterte zunächst an Ulreich, mit Glück und Knie landete der Ball bei Joker Abdellaoue. Dieser schob das Leder ins leere Tor. Dem aber nicht genug, Boka wollte dem ganzen Stuttgarter-Dilemma noch einen draufsetzen. Völlig unnötig holte er Stindl von den Beinen. Wieder im Strafraum. Norwegens Nationalstürmer Abdellaoue trat an, Ulreich war in der richtigen Ecke konnte jedoch auch nichts mehr retten (73).
Die letzte Viertelstunde wusste keiner der Schwaben mehr genau wohin, wieso und weshalb. 96 verwaltete das Ergebnis und fuhr einige gefährliche Konter. Hannover suchte nach dem Schlusspfiff seine mitgereisten Fans und lies sich feiern. Stuttgart suchte nach Adjektiven. Gefunden haben sie einige: erstaunt, sprachlos, überrascht, verblüft, verdutzt, verwirrt, platt und verwundert.