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Behelfen wir uns also mit eigenen Thesen, die von der Wirklichkeit schon morgen brutalstmöglich widerlegt werden können, aber bis dahin propagieren wir: "Die sportal.de-Taktikexperten in ihrem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf".
1) Kann Russland Europameister werden?
Wenn die Mannschaft, die am ersten Gruppenspieltag den begeisterndsten Fußball zeigt, später auch das Turnier gewinnen würde, dann hätten die letzten Titelträger so geheißen: Weltmeister 2010: Deutschland, Europameister 2008: Niederlande, Weltmeister 2006: Spanien, Europameister 2004: Schweden, Weltmeister 2002: Deutschland.
Schlechte Karten für Russland, zumal der Gegner Tschechische Republik sicher nicht der Maßstab für den Titelgewinn sein kann (ebenso wenig wie Australien 2010, Bulgarien 2004 oder Saudi-Arabien 2002). Aber sehen wir uns trotzdem Russlands Chancen genauer an. Dick Advocaats Team hat eine Reihe von Faktoren auf seiner Seite, die für einen Erfolg sprechen:
a) Keiner der Leistungsträger hatte im Mai noch entscheidende Clubspiele, die Vorbereitung lief wesentlich gründlicher und länger als bei den großen Favoriten.
b) Der Kern des Teams ist eingespielt bei Zenit St Petersburg, darunter das komplette Mittelfeld. Das mindert die Diskrepanz zwischen der Leistung der Spieler im Club gegenüber der Auswahl.
c) Die Spielanlage eignet sich gut dafür, aus der Defensive heraus auch gegen bessere Teams zu agieren, da sie ohnehin auf Konter setzt. In einem von der Defensive geprägten Turnier könnte Russlands Umschaltspiel entscheidend werden.
Kann Russland also doch Europameister werden, wie Griechenland 2004 als bisher letzter Sensationssieger? Wahrscheinlich nicht. Denn anders als 2004 sind viel mehr hochkarätige Topteams in guter Form dabei, es wird nicht reichen, eine einzige große Nation im gesamten Turnierverlauf zu schlagen (wie Otto Rehhagels Mannschaft 2004 gegen formschwache Franzosen). Zudem fehlt es der russischen Viererkette an Mobilität.
2) Wenn Defensive das Turnier entscheidet, fliegen die Niederlande dann raus?
Zwei Tage vor dem Klassiker Deutschland - Niederlande, in dem Deutschland nur eines der letzten sechs Pflichtspiele gewonnen hat, eine Prognose gegen die Elftal zu wagen, ist zugegebenermaßen riskant (und vielleicht auch der Grund, warum wir unser Geld nicht mit Sportwetten verdienen, sondern Onlinejournalismus machen müssen), aber wie bei Takeshi's Castle muss man halt manchmal mit dem Kopf zuerst durch die Tür springen, ohne zu wissen, ob sie aus Papier oder Sperrholz ist.