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Ganz abwegig ist der Verdacht jedenfalls nicht. Große Teile der Fanszene der Biancocelesti gelten als rechtsextrem. Schon nach dem Hinspiel an der Londoner White Hart Lane musste der Club 40.000 Euro Strafe an die UEFA zahlen, weil Lazio-Anhänger dunkelhäutige Spurs-Fans rassistisch beschimpft hatten. Beim Rückspiel in Rom waren auf deutsch gesungene "Juden Tottenham"-Gesänge zu hören. Zudem wurde in der Lazio-Kurve ein Transparent mit der Aufschrift "Free Palestine" gezeigt. Das Letzte allein wäre noch nicht illegal, es zeigt aber den Zusammenhang, in dem die italienischen Fans die Anhänger der Spurs sehen.
Warum Tottenhams Fans Opfer von Antisemitismus werden
Tatsächlich sind bei Spielen der Nordlondoner gerade in Europacupauswärtsspielen öfter israelische Fahnen zu sehen, und die Eigenbezeichnung der Anhänger als "Yid Army" greift eine ursprünglich antisemitische Beschimpfung der Fans anderer Clubs auf ("Yids" ist ein dem Jiddischen entlehnter Begriff für "Juden", der oft abwertend von Antisemiten gebraucht wird). Der Antisemitismus, der Tottenham Hotspur oft entgegenschlug und -schlägt, hat indes wenig damit zu tun, dass der Club oder seine Anhänger in überproportionaler Weise jüdischen Glaubens wären oder waren.
So gesehen ist die Erläuterung der Presseagentur dpa: "Vielmehr habe es sich um einen gezielten Angriff verschiedener römischer Gruppen auf die Tottenham-Anhänger gehandelt, unter denen sich zahlreiche Juden befinden" auch etwas irreführend. Hatte die Agentur im Krankenhaus die Religionszugehörigkeit der Opfer in Erfahrung gebracht? Unter Menschen jüdischen Glaubens in London ist die offensive Übernahme des Begriffs "Yids" von christlichen, muslimischen oder atheistischen Briten nicht unumstritten. Aber um diese Feinheiten ging es den Angreifern vom Campo dei Fiori nicht. Sie attackierten Fußballfans, die sie als "Juden" beschimpfen konnten. Und das ist Antisemitimus, daran ist gar nichts umstritten.
Die faschistischen Bezüge der Anhänger von Lazio sind nicht erst seit vorigem Herbst bekannt, als ein Transparent mit der Aufschrift "Klose mit uns" gezeigt wurde und damit auf die traditionelle Losung der Wehrmacht (und ihrer Vorgänger) "Gott mit uns" angespielt wurde, das durch die Schreibweise der beiden "S" in SS-Schrift auch dem historisch unbelesenen Zuschauer vereindeutlicht wurde. Der "römische Gruß" des Lazio-Spielers und bekennenden Faschisten Paolo di Canio an die eigenen Fans mit ausgestrecktem rechten Arm brachte dem Profi Sperren und Geldstrafen ein, aber auch Kultstatus beim Anhang.
Die faschistische Tradition der Lazio-Fans
Dieser beschimpfte Fans des Lokalrivalen Roma schon oft auf antisemitische Weise, so mit dem berüchtigten Transparent von 1999: "Auschwitz ist Eure Heimat, die Öfen sind Euer Zuhause". Doch wie kommt es dann, dass es Roma-Fans waren, die nach dem Angriff von Rom festgenommen wurden? Die traditionell als links geltenden Ultras der Giallorossi wurden schon seit den 1990er Jahren von rechtsgerichteten Gruppen unterwandert. Heute finden sich in der Kurve der Roma viele Rechtsextremisten, wenngleich die faschistische Gesinnung nicht so untrennbar mit dem Image des Clubs verbunden ist wie bei Lazio.
Doch auch jenseits explizit politisch motivierter Aktionen gibt es gewalttätige Übergriffe im italienischen Fußball. Bereits im September waren zwei Fans von AIK Solna beim bewaffneten Angriff von Napoli-Fans auf die Pizzeria, in der sie sich in Neapel vor dem Europa League-Spiel ihres Clubs aufhielten, verletzt worden, wie auch der Wirt, der seine Gäste vor den Angreifern beschützen wollte - er erlitt mehrere Stichwunden.