Andrea Pirlo war schon als Auslaufmodell abgestempelt, fußballerisch tot. Doch erst drückte er Juve, jetzt der EM seinen Stempel auf. Von seiner Genialität hängen die Finalchancen Italiens, aber auch Deutschlands ab. Totgesagte leben länger, doch wie kann die DFB-Elf den Regisseur in den Griff bekommen?
Andrea Pirlo galt schon als Auslaufmodell, als fußballerisch tot. Milan sortierte ihn aus, doch bei Juve fand er eine neue Heimat, führte das Team mit Weltklasseleistungen zur Meisterschaft und brilliert bei der Europameisterschaft als Denker und Lenker Italiens. Im Halbfinale hängen von seiner Genialität Wohl und Wehe der Squadra Azzurra, aber auch die Titelchancen Deutschlands ab. Was England, Spanien, Kroatien gar nicht und Irland immerhin in Ansätzen gelang, muss das Jogi Löw-Team schaffen: Den Untoten stoppen!
Die Haare sprießen noch immer wie vor sechs Jahren, als er die italienische Nationalmannschaft mit seinen Geniestreichen zum Weltmeistertitel in Deutschland geführt hatte. Die volle Matte des 33-Jährigen lässt so manchen Gleichaltrigen grün vor Neid werden. Angesichts der Furchen, die sich in das Gesicht Andrea Pirlos eingegraben haben, relativiert sich dieses Gefühl dann allerdings doch etwas. Alt sieht der Spielgestalter Italiens aus und dann gibt es diese Phase, in der er mit scheinbar ausdruckslosem Gesichtsausdruck fast lethargisch über das Feld schlurft. Unweigerlich fühlt man sich zuweilen an die US-Serie The Walking Dead erinnert.
Doch der Schein trügt, denn genau in diesen Szenen ist Pirlo am gefährlichsten. In so einem Moment scannt er das Spiel aus seiner tiefen Position vor der Abwehr ganz genau und sinniert über den nächsten tödlichen Pass. Doch fast wäre es damit vor einem Jahr vorbei gewesen. Bei Milan war Pirlo aussortiert worden. Angesichts seiner großen Verdienste um den Club hätte man ihm immerhin noch einen Jahresvertrag offeriert, eine wichtige Rolle im System von Massimiliano Allegri wäre für ihn aber nicht mehr drin gewesen.