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Wir kennen die alten Klischees: Deutschland spielt nie gut, ist aber immer zur Stelle, wenn die großen internationalen Titel verteilt werden. Eine Turniermannschaft, die über den Kampf und die Mentalität kommt und damit ihre fußballerischen Defizite wett zu machen weiß. Genau dieses (über die Jahrzehnte nicht ganz unzutreffende) Image war es, das durch den von Jürgen Klinsmann angestoßenen und von Joachim Löw fortentwickelten Umbruch nach und nach revidiert worden war.
Kritiker begannen jedoch zu mutmaßen, mit dem Mentalitätswandel sei den nunmehr auch fußballerisch begeisternden Deutschen der letzte Siegeswille abhanden gekommen. Ins gleiche Horn stieß während seines Live-Kommentars des Auftaktspiels in der ARD übrigens auch Kommentator Gerd Gottlob, der sich die seiner Meinung nach schlechte Leistung ("kein Zugriff aufs Tor") damit erklärte, vielleicht habe "der unbedingte Wille" gefehlt. Davon abgesehen, dass derlei Erklärungen immer so tun, als spiele der Gegner und seine Leistung gar keine Rolle, fragt man sich doch, warum die deutschen Spieler in einem EM-Spiel keine rechte Lust auf Offensive haben sollten.
Aber dessen ungeachtet lässt sich bei sieben internationalen Finals in Folge, die von deutschen Club- oder Auswahlteams in den letzten zehn Jahren verloren wurden, nicht bestreiten, dass Gary Linekers Verdikt "Fußball ist ein Spiel mit 22 Spielern und am Ende gewinnen die Deutschen" schon mal zutreffender war. Ohne die Öffentlichkeit so zu verzücken wie beim 4:0 gegen Australien vor zwei Jahren, gewann Deutschland aber nun wieder glücklich und startete gut ins Turnier. Alles wie früher?
Nein. Denn guten Fußball boten die Deutschen immer noch, die Abwehrleistungen waren stark, aber nicht stark in der Schublade "Hanspeter Briegel" oder der Kategorie "Christian Wörns", den Sport Bild-Redakteur Jochen Coenen noch 2006 ("Grinsmann droht bei der WM das Desaster") unbedingt ins WM-Team schreiben wollte, weil: "Zu 98 Prozent sollen Abwehrspieler erst einmal den Laden dicht halten!".