Die Schrecken des Krieges sind immer noch in der Erde zu finden. Bei den Fundament-Grabungen für das neue Stadion in der WM-Ausrichterstadt Wolgograd, die sich unter ihrem alten Namen Stalingrad in das Gedächtnis der Deutschen und Russen eingebrannt hat, fanden Arbeiter massenhaft Munition und die sterblichen Überreste zweier Soldaten, die in der blutigsten Schlacht des Zweiten Weltkrieges gefallen waren. Für die Einweihung der Victory-Arena wünschen sich die Politiker der Stadt vor dem Anpfiff der Endrunde 2018 ein "Spiel des Friedens" gegen den Fußball-Weltmeister.
"Wir wären glücklich, eine solche Partie gegen Deutschland hier zu haben", sagte Andrej Botscharow, Gouverneur der Region, in der im Winter 1942/43 Hunderttausende Menschen ihr Leben verloren: "Es könnte natürlich auch während der WM stattfinden - wenn es die Auslosung ergibt, es wäre in jedem Fall ein Spiel des Friedens. Aber wenn es das Eröffnungsspiel des Stadions wäre, wäre das sehr interessant."
Die Einladung, die noch nicht offiziell ausgesprochene wurde, könnte für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) allerdings zum heiklen Politikum werden. Aufgrund der Ukraine-Krise ist das deutsch-russische Verhältnis angespannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihre Teilnahme an der großen Siegesparade während der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Kriegsendes (in Russland am 9. Mai) abgesagt und war erst einen Tag später nach Moskau gereist.
DFB: Noch keine Planungen wegen WM 2018
Der DFB reagierte entsprechend zurückhaltend. "In die konkreten Länderspiel-Planungen für das Jahr vor der WM in Russland sind wir noch gar nicht eingestiegen", sagte Generalsekretär Helmut Sandrock: "Vielleicht aber kommt es ja bereits beim Confed Cup zu dieser interessanten Konstellation." Das Ganze hat allerdings einen Haken: Wolgograd gehört beim Confed Cup nicht zu den Spielorten.
Ein Länderspiel "für den Frieden" ohne Bezug zur aktuellen Situation müsste ohnehin erklärt werden. Zumal der Krieg im Nachbarland nur wenige russische Lokalpolitiker zu interessieren scheint. "Die Ukraine hat unsere Vorbereitung nicht belastet", sagte Botscharow - und sprach von "Brüdern und Schwestern", welche die "tragische Entwicklung" schon regeln würden.
Davon unberührt soll der Neubau des Stadions Ende 2017 abgeschlossen sein. Die 45.000 Zuschauer fassende Victory-Arena, die ihren Namen auch aufgrund des russischen Sieges vor 70 Jahren trägt, könnte beim Blick auf den möglichen WM-Spielplan jedoch so oder so Schauplatz eines deutschen Viertelfinales sein.
Wolgograd als Sinnbild des Zweiten Weltkriegs
Die Schlacht um Stalingrad, die letztlich die Niederlage Nazi-Deutschlands einleitete, prägt die Geschichte der Millionen-Stadt an der Wolga bis heute. Das Denkmal "Mutter Heimat" auf dem Mamajew-Hügel besuchen jährlich 40.000 deutsche Touristen. Für das angestrebte Länderspiel würden deutlich mehr Karten verkauft werden, als Zuschauer ins Stadion passen, prophezeite Botscharow. Im Mai, kurz vor dem Jahrestag, hatte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier ins Gästebuch der Gedenkstätte eingetragen.
"Russen, Deutsche und alle Völker Europas verbindet ein gemeinsames 'nie wieder' und eine gemeinsame Verantwortung für den Frieden", schrieb der SPD-Politiker und bat während einer Pressekonferenz um Vergebung für die Gräueltaten der deutschen Armee.
Wolgograd ist einer der elf Austragungsorte der umstrittenen WM in Russland (14. Juni bis 15 Juli 2018). An den Ufern der Wolga, die ganz Russland durchzieht, sollen zudem über 80.000 Menschen auf einem Fanfest mitfiebern können.