Sebastian Vettel konnte sich auf dem Weg zum Flughafen vor Schulterklopfern kaum retten. Die Ferrari-Fans waren nach dem Traumdebüt ihres neuen Helden völlig aus dem Häuschen und wollten Autogramme, Fotos oder ihrem "Sebaschtian" einfach nur ganz nahe sein. Sogar von der Konkurrenz wurde Vettel mit Lob überhäuft. Doch dem Heppenheimer ist der überraschende dritte Platz von Australien längst nicht genug.
"Wir müssen unseren Aufwärtstrend in den nächsten Rennen bestätigen", sagte Vettel und richtete seinen Blick in bester Weltmeister-Manier gleich auf die kommende Aufgabe in Malaysia (29. März): "Ich denke, wir gehen in die richtige Richtung."
Italien verliebt in Vettel
In Italien wird Vettel bereits als "der Rote" (Repubblica) und "der Italiener" (Corriere della Sera) gefeiert, und die Gazzetta dello Sport stellte klar: "Es ist zu einfach, sich in so einen Sebastian Vettel zu verlieben: Lächelnd, leicht wie jemand, der auf einer Wolke schwebt, nachdem er den Traum verwirklicht hat, einen Ferrari zu fahren."
Der Ehrgeizling will so schnell wie möglich zurück an die Spitze und Weltmeister Lewis Hamilton sowie Nico Rosberg in ihren überlegenen Silberpfeilen das Leben wieder so schwer wie möglich machen. "Wir haben ein Auto, mit dem wir arbeiten können. Ich bin sicher, dass uns das gelingen wird", sagte Vettel.
Ferrari wird nach einem Horrorjahr - erstmals seit 1993 ohne einen Saisonsieg - wieder ernst genommenm und das liegt vor allem an Vettel. "Das war eine super Leistung. Sie sind zurück", sagte Ex-Weltmeister Niki Lauda, der jetzt mit einem weiteren Vettel-Schub rechnet: "Damit hat er die italienischen Emotionen hochgefahren - im Team und in ganz Italien. Das ist wichtig für ihn." Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff erkennt die neue rote Gefahr: "Ferrari hat sich stark zurückgemeldet. Sie werden uns näher kommen."
"Er denkt wie ein Champion"
Im Rekordtempo hat Vettel dem noch vor kurzem am Boden liegenden Traditionsteam neues Leben eingehaucht - wie vor knapp 20 Jahren ein gewisser Michael Schumacher. "Wir kennen Sebs Wert. Er denkt nicht wie einer, der Zweiter werden will. Er denkt wie ein Champion", sagte Teamchef Maurizio Arrivabene.
Schon nach seinem ersten Rennen für die Scuderia scheint Vettel das Team voll auf sich eingeschworen zu haben. Geschickt bedient er die Eitelkeiten und Gepflogenheiten dieses ganz besonderen Rennstalls und paukt fleißig italienisch - dabei soll er schon mehrere Lehrer verschlissen haben.
"Verstehen klappt schon ganz gut, frei sprechen - da habe ich mir ein bisschen in die Hose gemacht, als ich den Funk aktiviert habe", sagte er. Aber Vettel weiß, wie wichtig solche kleinen Gesten sind: "Das gehört einfach dazu." Dem "Forza Ferrari" über Boxenfunk ließ er auf dem Siegerpodest noch ein "Grazie mille, abbiamo una macchina bella" folgen: "Tausend Dank, wir haben ein wunderbares Auto." Nach diesen Worten schauten ihn die Mechaniker fast an, als sei Vettel ein Heiliger.
"Wieder der alte Vettel"
Der Kummer des Grusel-Jahres 2014 ist nach nur einem dritten Platz jedenfalls schon vergessen - sowohl bei Vettel als auch bei Ferrari. Erst Pleiten, Pech und Pannen auf beiden Seiten legten ja den Grundstein für die neue deutsch-italienische Traumehe. "Das ist wieder der alte Vettel, der nichts falsch macht", sagte Sky-Experte Marc Surer.
Trotz aller Euphorie und guter Laune mahnte Vettel aber auch gleich vor zu hohen und unrealistischen Erwartungen. "Wir müssen auf dem Boden bleiben. Es braucht Zeit, die Lücke zu den Mercedes-Jungs zu schließen", sagte er: "Es gibt noch viel zu tun." Aber selbst nach diesem Satz kreischten die Tifosi.