Die Zukunftsaussichten waren düster. Nach den medaillenlosen Olympischen Spielen in Sotschi und dem völligen Neustart hatte den blutjungen deutschen Biathletinnen in dieser Saison kaum jemand etwas zugetraut. Doch Laura Dahlmeier und Co. haben sich mit zwei Staffelsiegen und den ersten Einzel-Podestplätzen eindrucksvoll vom Erfolgsdruck befreit. Gute fünf Wochen vor dem WM im finnischen Kontiolahti (5. bis 15. März) steigen nun aber auch die Erwartungen.
"Wir können unsere Ansprüche vielleicht ein Stück weit neu formulieren, aber ich sage nach wie vor, dass wir nicht die großen Favoriten für die WM sind", sagte Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig in Antholz. Zuvor hatte die Staffel in einer chaotischen Windlotterie die Nerven bewahrt und den zweiten Sieg des Winters eingefahren. Beim Saison-Highlight soll es zumindest unter die Top 3 gehen. "Wir wollen mit der Staffel um das Podest mitkämpfen", sagte Hönig.
Vor wenigen Monaten hätte man bei so einer Aussage wohl die Stirn gerunzelt. Doch Dahlmeier (21 Jahre), Franziska Preuß (20), Luise Kummer (21) und "Oldie" Franziska Hildebrand (27) stellten erneut ihre Qualitäten unter Beweis - genau wie in den vergangenen Einzelrennen. "Küken" Preuß wurde im Massenstart von Ruhpolding Zweite, Zimmerkollegin Dahlmeier holte in Antholz als Dritte im Sprint ebenfalls ihr erstes Podest. Hildebrand verpasste disen Erfolg in der Verfolgung um nur 0,3 Sekunden.
Hohe Erwartungen
"Wir haben in den letzten Rennen bewiesen, dass wir mit zwei, drei Mädels in der Lage sind, in den Einzelrennen um die Medaillen mitzulaufen", sagte Hönig im "ZDF". Gleichwohl wies der Thüringer aber daraufhin, dass es "für alle anderen schwer wird", wenn Ausnahmekönner wie Darja Domratschewa (Weißrussland) oder die Weltcup-Führende Kaisa Mäkäräinen "ihr Zeug machen".Trotzdem ist nach dem Aderlass der vergangenen Jahre mit Rücktritten von Magdalena Neuner oder Andrea Henkel ein klarer Aufwärtstrend erkennbar. "Wenn in der Vorbereitung nichts weiter dazwischen kommt und wir uns positiv entwickeln, können wir optimistisch in Richtung WM gehen", sagte Hönig, der sich schon im Dezember in Hochfilzen über einen Staffelsieg freuen konnte. Außerdem gab es in Ruhpolding Platz drei.
Zu große Erwartungen sollte man an das junge Team jedoch nicht stellen, denn Leistungsschwankungen wären bei den jungen Athletinnen nicht ungewöhnlich. Umso mehr überrascht es, dass gerade Preuß und Dahlmeier oft schon wie alte Hasen wirken. Dabei bestreiten die Zimmerkolleginnen gerade erst ihre jeweils zweite komplette Saison. "Unglaublich" fand es beispielsweise der viermalige Olympiasieger Sven Fischer, wie Dahlmeier in der Staffel trotz schwierigster Bedingungen mit Windböen keine einzige Nachladepatrone benötigte.
Einziges Sorgenkind der aufstrebenden Mannschaft bleibt Miriam Gössner. Zwar ist die zweimalige Staffel-Weltmeisterin die einzige im Team, die bei Großereignissen schon Medaillen gewonnen hat, doch auf ihrem Weg zurück in die Weltspitze ist weiter Geduld gefragt. Acht Fehler schoss die 24-Jährige in der Verfolgung und musste damit wieder einen Rückschlag wegstecken. Ob sie die WM-Norm noch schafft, scheint offen. Doch immerhin hat die dreimalige Weltcupsiegerin nun wieder Kolleginnen, die selbst für Furore sorgen.