Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hat der Doping-Whistleblowerin Julia Stepanowa mit sofortiger Wirkung ein internationales Startrecht zugesprochen. Die Russin dürfe wegen ihrer Verdienste um einen sauberen Sport unter neutraler Flagge wieder an Wettkämpfen teilnehmen. Damit rückt auch ein Start bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro für die 29 Jahre alte Mittelstrecklerin immer näher. Schon bei der kommenden EM in Amsterdam (6. bis 10. Juli) könnte sie ihr Comeback geben.
Stepanowa und ihr Mann hatten den Skandal um systematisches Doping in der russischen Leichtathletik mit ihren Aussagen in der ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping" ins Rollen gebracht. Danach verließ das Ehepaar Russland aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen staatlicher Institutionen und setzten sich an einen geheimen Ort in die USA ab. Russische Leichtathleten sind bis auf Weiteres international gesperrt.
Die IAAF erfüllte mit ihrer Entscheidung eine Forderung von IOC-Präsident Thomas Bach für einen möglichen Olympia-Start Stepanowas. "Zunächst muss die IAAF entscheiden. Dann müssen wir das vollumfänglich unter Berücksichtigung der persönlichen und rechtlichen Gesichtspunkte prüfen", hatte Bach am Donnerstag in einem Interview mit dem SID gesagt: "Das kann man nicht mit einem Federstrich erledigen, weil hier wesentliche Regeln der Olympischen Charta in Frage stehen."
Die Doping-Prüfungs-Kommission der IAAF begründete ihre Entscheidung im Fall Stepanowa auf Grundlage der Regel 22.1A(c) mit ihrem "außergewöhnlichen Beitrag zum Schutz und zur Förderung sauberer Athleten". Zudem teilte der Verband mit, dass mehr als 80 russische Athleten Anträge für Ausnahmeregelungen gestellt hätten. Diese würden geprüft.
Prokop begrüßt Entscheidung
Die Entscheidung des IAAF fand in der Sportwelt jede Menge Zuspruch. Auch Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes DLV äußerte sich: "Es ist ein wichtiges Zeichen des internationalen Sports, dass Julia Stepanowa für ihr Risiko, Missstände in ihrem Land aufgezeigt zu haben, nicht weiter abgestraft, sondern ihr Mut honoriert wird", sagte Prokop dem SID.
Stepanowas Start in Amsterdam "hat Symbolcharakter", sagte Prokop weiter: "Julia Stepanowa, die über Doping-Praktiken in Russland gesprochen hat, darf wieder Wettkämpfe bestreiten. Andere Athleten aus dem System aber nicht." Am Mittwoch um 18.25 Uhr, wenn in Amsterdam die Vorläufe über 800 m beginnen, werden die Augen der Leichtathletik-Welt auf Stepanowa gerichtet sein. "Egal wie schnell sie in Amsterdam laufen wird, Hauptsache ist, dass sie dabei ist", sagte Prokop.
Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) hat Stepanowas Comeback ebenfalls begrüßt. Diese Entscheidung sei "aufgrund ihrer Verdienste für den sauberen Sport" richtig. Zuvor hatte der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) der 800-m-Läuferin ein Startrecht unter neutraler Flagge eingeräumt.
"Signal in die richtige Richtung"
"Whistleblower sind essenziell für die Anti-Doping-Arbeit. Die NADA hatte mit den Stepanows diesbezüglich auch direkten Kontakt, wie Anti-Doping-Organisationen Whistleblower ermutigen können, ihr Wissen weiterzugeben und diese bestmöglich geschützt werden können", teilte die Agentur in Bonn mit.
Ähnlich äußerte sich auch der Deutsche Olympische Sportbund: "Es ist ein Signal in die richtige Richtung. Whistleblower müssen gestärkt werden, denn sie werden zur Glaubwürdigkeit und zur Optimierung des Anti-Doping-Kampfes dringend gebraucht", teilte der DOSB mit.