70 Tage hatte Nico Rosberg auf diesen Sieg gewartet, doch die Freude über das Comeback im Titelkampf fiel bescheiden aus. Der Mercedes-Pilot klatschte nach dem Großen Preis von Belgien seine Mechaniker ab, er reckte pflichtschuldig die Trophäe in die Luft - und dann reichte er dem Mann des Tages die Hand: Teamrivale Lewis Hamilton war vom 21. Startplatz auf den dritten Rang gerast, das hatte es in Spa noch nie gegeben. Hamilton behauptete seine WM-Führung, und Rosbergs Sieg schmeckte bittersüß.
"Erst im Ziel habe ich gesehen, dass Lewis so weit vorne gelandet ist", sagte Rosberg am Sonntagabend, "und ich dachte: Was? Ernsthaft?" Für ihn selbst sei dieser souveräne Start-Ziel-Sieg nicht das "das schwierigste Rennen aller Zeiten" gewesen, "ich musste ja nicht gegen Lewis kämpfen", sagte Rosberg nüchtern, und dann fügte er an: "Gratulation an ihn. Von ganz hinten auf drei, das war beeindruckend." Hamilton indes sprach von einem "bemerkenswerten Tag. Hier mit so vielen Punkten abzureisen, macht mich extrem stolz."
Noch neun WM-Punkte liegt Hamilton nun vor Rosberg, dabei schien das Rennen für ihn eigentlich schon vor dem Start verloren. Wegen des unerlaubten Wechsels zahlreicher Motorenteile war der Brite weit zurückversetzt worden - es folgte seine denkwürdige Aufholjagd.
Zweiter wurde Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo, Nico Hülkenberg beeindruckte im Force India mit dem ganz starken vierten Platz. Ferrari-Star Sebastian Vettel rettete in einem Chaos-Rennen den sechsten Platz ins Ziel. "Am Ende war der sechste Platz Schadensbegrenzung", sagte Vettel: "Wir können Spa erhobenen Hauptes verlassen, der Speed war da, und normalerweise wären wir hinter Mercedes reingekommen." Rookie Pascal Wehrlein im Manor schied nach einem frühen Fahrfehler aus.
Der niederländische Youngster Max Verstappen, von Zehntausenden Landsleuten angefeuert, belegte von Rang zwei gestartet nur den elften Platz. Der Red-Bull-Pilot untermauerte dabei seinen Ruf als Bad Boy der Formel 1, in grenzwertigen Duellen beeinträchtigte er auch das Ferrari-Duo Vettel und Kimi Räikkönen. "Ich vertraue allen Fahrern, aber Max Verstappen vertraue ich nicht", sagte Räikkönen später. Der Niederländer gab sich indes unbeeindruckt. "Es ist mir egal, was andere sagen. Wenn es falsch gewesen wäre, hätten die Stewards eine Strafe ausgesprochen", sagte Verstappen.
Hamilton rast auf Rang 3
Hamilton indes hatte vor dem Wochenende eigentlich nur Schadensbegrenzung im Sinn gehabt, denn Mercedes hatte den belgischen Grand Prix ausgewählt, um neue Motoren einzubauen und damit die ohnehin bald drohende Strafe für Hamilton in Kauf zu nehmen. Der Grund: Auf dem Hochgeschwindigkeits-Kurs ist das Überholen vergleichsweise einfach.
Und der traditionell turbulente belgische Grand Prix hielt erneut einige Überraschungen bereit, die Hamilton in die Karten spielten. Gleich nach dem Start herrschte ein gehöriges Durcheinander: Rosberg zog souverän davon, und das war ein Glücksfall für den Deutschen, denn gleich hinter ihm flogen die Fetzen.
Verstappen fiel zurück und geriet in der ersten Kurve in einen engen Positionskampf mit Räikkönen und Vettel - sie kollidierten, und alle mussten die Box ansteuern. Spektakuläre Crashs von Carlos Sainz jr. (Toro Rosso) und Kevin Magnussen (Renault) sorgten anschließend zunächst für Safety-Car-Phasen und dann sogar für eine Rennunterbrechung. Hamilton hatte sich bis dahin, auch begünstigt durch Boxenstopps der Konkurrenz, bis auf Rang fünf vorgeschoben.
Nach der Fortsetzung des Rennens fuhr Rosberg an der Spitze einen Vorsprung heraus, Hamilton setzte indes seine Aufholjagd fort. Ohne große Probleme nutzte er die Geschwindigkeitsvorteile seines Mercedes, um zunächst Ex-Weltmeister Fernando Alonso (McLaren) und dann Hülkenberg zu überholen - Hamilton hatte damit 18 Runden benötigt, um sich vom 21. Platz auf einen Podestrang vorzuarbeiten. Diesen hielt der Titelverteidiger, für einen Angriff auf Rang zwei reichte es dann nicht mehr - Hamilton war es an diesem Tag herzlich egal.