
Es war die Wohlfühlgeschichte im College Football, jetzt entpuppt sich das Schicksal von Notre Dames Manti Te'o als große Lüge - oder aber als großer Betrug an einem Sportler, dem alle NFL-Türen offenstehen sollten. sportal.de versucht eine Einordung der Ereignisse.
Zunächst einmal die Ausgangslage, wie sie sich bis zur Veröffentlichung eines Artikels von Timothy Burke und Jack Dickey auf deadspin.com darstellte. Demnach hatte Linebacker Manti Teo'o von den Notre Dame Fighting Irish eine der besten Spielzeiten im College Football überhaupt - acht Auszeichnungen nach der Saison waren Rekord, außerdem verpasste Teo'o nur knapp die begehrte Heisman Trophy für den besten College Spieler des Jahres. Und dies alles, so wollte es bis dahin die Legende, obwohl er innerhalb von 24 Stunden den Verlust seiner Großmutter und seiner Freundin zu beklagen hatte.
Die erfundene Freundin-Betrogener oder Betrüger?
Doch am 11. Januar erhielten Burke und Dickey einen anonymen Hinweis, gingen diesem nach und fassten nach fünf Tagen ihre Recherche-Ergebnisse zusammen. Demnach starb Manti Teo's Großmutter Annette Santiago tatsächlich am 11. September 2012, seine angebliche Freundin Lennay Kekua, bei der nach einem Autounfall im Frühjahr Leukämie diagnostiziert worden war, hatte jedoch nie existiert. Eine herzzerreissende Geschichte eines jungen Sportlers, der mit einem schweren Schicksal seiner Freundin zu kämpfen hatte und trotzdem eine Fabelsaison hinlegte, zerfiel zu Staub.
Teo'o selbst hat eine Erklärung für diesen Betrug. Er habe sich über längere Zeit mit einer Frau online getroffen, zu der er eine "emotionale Beziehung" aufgebaut habe. In Chats und Telefonaten habe sich diese gefestigt. "Zu bemerken, dass ich das Opfer eines kranken Witzes und durchgehenden Betruges geworden bin, tut weh und ist sehr peinlich", zitierte espn.com aus dem Statement des Linebackers.
Was allerdings fehlt ist eine Erklärung, warum in den Wochen und Monaten zuvor nicht von einer ausschließlichen Online-Beziehung die Rede war und vielmehr sogar Details über das angebliche Kennenlernen am Rande eines Football-Spiels im kalifornischen Stanfords mit zur Legende der Lennay Kekua gehörten? Seine Universität Notre Dame hat bereits Untersuchungen des Falles eingeleitet, stellte sich aber auch auf die Seite des Spielers. Auch die Fighting Irish stehen dabei in einem etwas düsterem Licht, wussten sie doch bereits seit dem 26. Dezember von der Nicht-Existenz der vermeintlichen Linebacker-Freundin.
Ronaiah Tuiasosopo - der Hintermann?
Mit dem bloßen Ausdenken einer Person endet diese Geschichte nicht. Denn es gibt Fotos, einen Twitter- und einen Instagram-Account. Das Foto stammt, wie die Deadspin-Reporter herausfanden, von einer anderen jungen Frau. Die kennt Manti Teo'o überhaupt nicht, schickte aber eines der Bilder - die anderen kamen hauptsächlich von ihrem Facebook-Account - an einen ehemaligen Klassenkameraden, Ronaiah Tuiasosopo. Der wiederum ein Freund Teo'os sein soll.
Tuiasosopo entstammt sozusagen altem Football-Adel, der Nachname findet sich nicht nur einmal in der Kaderliste eines NFL-Teams. Alle Spuren der falschen Lennay Kekua führen letztlich zu Ronaiah, der in der Kirche seines Vaters Titus dem Gospelchor vorsteht. Anders als sein Freund Teo'o hat der leidenschaftliche Kirchenmusiker, einst selbst hochgelobter High School-Quarterback, noch kein Statement abgegeben. Deadspin zitiert einen Freund Tuiasosopos mit der Aussage, Teo'o habe zu "80 Prozent" davon gewusst, dass Tuiasosopo hinter Kekua steckt. Tuiasosopo ging scheinbar auch noch weiter und erfüllte den Twitter-Account einer angeblichen Schwester Lennays zum Leben. Auch mit dieser Phantomperson hatte Teo'o zumindest per Twitter Kontakt.
Die große Frage nach dem Warum?
Gehen wir einmal davon aus, dass Teo'os Statement wahr und er das Opfer - mutmaßlich seines Freundes - eines schlechten Streiches ist. Warum-Frage Nummer eins: Was hat Ronaiah Tuiasosopo davon? Glaubt man dem Boulevard-Magazin US Weekly, ist dies nicht das erste Mal, dass Tuiasosopo ein tragisches Schicksal erfunden hat. So habe sich der Musiker mit einer Geschichte über einen Autounfall, in den er und sein Cousin verwickelt waren, bei der Casting-Show The Voice beworben. Wie durch ein Wunder seien beide, trotz mehrfachen Überschlags, dem Tod entronnen, obwohl einer von ihnen sei sogar als hirntot eingestuft worden war.
Doch anders als die von US Weekly berichtete Geschichte, bringt eine erfundene tote Freundin eines Freundes Tuiasosopo nun wirklich gar nichts. Es sei denn, er hegt einen Groll gegen Teo'o. Oder sieht sich selbst als Twitter-Genie, dass einem Kumpel einen miesen Streich spielt - weil er es kann.
Auf der Suche nach Teo'os Beweggründen, sollte er eingeweiht sein, stößt man da sicher eher auf Motive. Publicity und mediale Hilfe bei der Bewerbung für eine der begehrtesten individuellen Auszeichnungen eines Football-Spielers wäre da nur der erste Schritt. Denn die Heisman Trophy könnte der Türöffner für eine bessere Position im NFL-Draft und damit einer Verbesserung der Einkünfte sein.
Aber: Denkt jemand wirklich in der heutigen Zeit, wo man per Mausklick die Beerdigungen eines US-Bezirks herausfinden kann, wie es die Deadspin-Reporter letztlich taten, bleibt so ein Betrug auf ewig verborgen? Zumal fleißig die Bilder einer anderen, realen Frau von Facebook geklaut und für die falsche Identität benutzt wurden. Und diese durch die US-weiten Medien gingen. Früher oder später musste der Schwindel auffliegen.
Der Betrug und die Folgen für Teo'os NFL-Karriere
Es ist ohnehin schwer, aufgrund einer eigentlich außerhalb des Platzes stattgefundenen Geschichte, den Wert eines College-Spielers für die NFL-Teams festzumachen. Den einen oder anderen sportlich Verantwortlichen mag die Charakterfrage plagen, der eine oder andere Coach mag darauf pfeifen und sich freuen, dass Kollege A in der Draftreihenfolge vor ihm auf einen guten Spieler, der er nun einmal unbestreitbar ist, wie Manti Teo'o verzichtet hat.
Wenn Teo'o wirklich auf die nicht-existente Freundin reingefallen ist, wird er es in der NFL nicht ganz leicht haben, der ein oder andere Witz auf seine Kosten gerissen werden und gegnerische Fans und Spieler sicher nicht am Trash Talk sparen. Am Ende bleibt die Episode eine Fußnote in seinem Wikipedia-Eintrag, so er denn eine fruchtbare Karriere bei den Profis hinlegt.
Sollte er jedoch selbst an diesem Betrug beteiligt sein, dürfte dies weiter reichende Auswirkungen auf seine NFL-Karriere haben. Die Auswahl der Teams dürfte sich auf die beschränken, bei denen oben genannten Coaches, die eher ein Auge in Charakterfragen zudrücken, beschränken. Die Medien würden die Geschichte bei jeder Free Agency oder jedem Trade und natürlich schlechten Leistungen in wichtigen Spielen hervorholen.
Seth Meyers und das Schlusswort
Was bei den Untersuchungen aus dem Fall Teo'o auch herauskommen wird, er dürfte trotzdem seinen Weg in die NFL finden. Schließlich hätte er niemanden so betrogen, dass es strafrechtlich relevant wäre. Und letztlich ist das Ganze auch eine aufgebauschte Geschichte vieler Medien, die sich gerne an sogenannten "Human-Interest"-Geschichten auch im Sport bedienen. Sollten Journalisten jetzt anfangen, jede Aussage eines Sportlers über tote Verwandte zu recherchieren? Mit Sicherheit nicht, aber vielleicht sollte man diese Privatsachen privat sein lassen und sich auf den Sport konzentrieren.
Comedian Seth Meyers brachte es in den vergangenen Tage via twitter.com auf den absurden Punkt: "Die Witze auf Kosten Teo'os sind alle sehr witzig. Aber wir sollten uns vor Augen führen, dass eine Person, die nie existierte, gestorben ist."