Tellerwäscher gibt es viele und im Gegensatz zur Legende werden wohl nur ganz wenige wirklich Millionäre. Ein Sportler, der in den letzten Jahren auch mit tatkräftiger Mithilfe Hollywoods und Sandra Bullocks wie kein Zweiter für dieses US-Klischee steht, ist Offensive Lineman Michael Oher, der mittlerweile beim NFL-Team der Baltimore Ravens sein Geld verdient und heute seinen 26. Geburtstag feiert.
Offensive Lineman wie Michael Oher von den Baltimore Ravens stehen im Allgemeinen wenig im NFL-Rampenlicht. Meist sieht man sie nur in Highlight-Videos, wenn sie ihren Job nicht erfüllt haben und der eigene Quarterback am Boden liegt.
Das Geburtstagskind Michel Oher er wird heute 26 ist jedoch ein ganz besonderer Fall, war er doch aufgrund seiner Geschichte Protagonist des Buches "Blindside Evolution of a Game", das 2009 mit Sandra Bullock verfilmt wurde, die dafür einen Oscar erhielt.
Ein wandelndes Hollywood-Klischee?
Während sich das Buch von Michael Lewis nur zur Hälfte mit Ohers Werdegang, ansonsten mit den veränderten Anforderungen an die Offensive Lineman der NFL beschäftigt, konzentriert sich der Film auf den für Hollywood so wichtigen menschlichen Aspekt. Lewis konnte seine sportjournalistische Tätigkeit noch ein zweites Mal mit dem Buch "Moneyball The Art of Winning an Unfair Game" und dessen Verfilmung vergolden.
Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: Armes Kind mit drogenabhängiger Mutter wird auf Privatschule und kurz danach auch von vermögender Familie aufgenommen und später adoptiert. Es spielt an der Schule aufgrund hervorragender körperlicher Eigenschaften Football und erarbeitet sich schließlich ein College-Stipendium, mit der Aussicht auf ein Millionen-Engagement in der NFL.
Anders als im eher dokumentarisch angelegten Buch kam bei dieser Tellerwäscher zum Millionär-Geschichte natürlich die eine oder andere hollywood-typische Übertreibung zum tragen. Zwar war Oher mit dem Film einigermaßen einverstanden, wie er in seinem Rookie-Jahr gegenüber der Baltimore Sun erklärte. "Einige Sachen sind wahr, einige nicht. Manche Leute müssen halt Sachen erfinden, damit sie etwas verkaufen können. Es ist aber alles gut", zitierte ihn die Sun 2009.
In seinem eigenen Buch "I beat the odds", das zwei Jahre nach dem Film erschien, führte er seine Probleme mit der Darstellung weiter aus. "Ich hatte das Gefühl, ich wurde als dumm dargestellt und nicht als ein Kind, das zu wenig Bildung genossen hat. Ich habe nicht verstanden, warum der Regisseur es so darstellen musste, das ich ein Kind war, dem man Football beibringen musste. Ich habe Football studiert wirklich studiert seitdem ich ein Kind war", äußerte sich Oher verärgert über mehrere Szenen, die ihn unter anderem mit seinem jüngeren Adoptivbruder S.J. Tuhoy zeigen, der ihm das Spiel mit Ketchupflaschen erklärt oder eine Darstellung mit Sandra Bullock als Adoptivmutter Leigh Anne Tuohy, die ihm das blocken erklären muss.
Ein natürlicher NFL-Spieler
Neben seiner Vorbildung brachte Oher vor allem eines mit sich: die körperlichen Voraussetzungen. "Alles an ihm war groß", zitiert Lewis in seinem Buch Scout Tom Lemming, der High School-Spieler im ganzen Land für die Allstar-Teams von ESPN und College Sports TV entdeckt. "Alles an ihm passte", führt Lewis weiter aus. Oher war damals 1,89 Meter groß und ist nicht nur 1,93 Meter und wiegt über 142 Kilogramm - "es gibt große Kerle, die wiegen viel, aber sie haben dünne Beine. In der Highschool reicht das Gewicht, im College werden sie herumgeschubst", so Lemming.
Bei Oher war dies bereits im Alter von 18 Jahren, als Lemming ihn erstmals zu Gesicht bekam, anders. Nicht nur seine Beine, auch seine Armspannweite und die großen Hände bringen ihm die idealen Voraussetzungen für die Position des Tackles mit. Lemming sah Oher als den Prototyp des von Lewis so titulierten Anti-Lawrence Taylor, benannt nach dem Linebacker der New York Giants, der Mitte der 80er Jahre NFL-Quarterbacks förmlich terrorisierte.
Als Vergleich für Ohers Maße zog Lemming den ebenfalls von ihm entdeckten Orlando Pace heran, der 1997 in die NFL kam und dort bei den St. Louis Rams den Super Bowl gewann, über Jahre der bestbezahlte Spieler war und seine zwölf Jahre andauernde Karriere in Ohers Rookie-Jahr 2009 bei den Chicago Bears ausklingen ließ. "Er sah sogar ein bißchen wie Orlando Pace aus. Er war nur nicht so 'geschliffen' wie Orlando. Allerdings war der in der Highschool auch nicht der Orlando Pace, den wir heute kennen", erklärte Lemming.
Die Kontroverse: Reiche Familie "züchtet" Football-Spieler?
Das es sich bei Oher um einen Jungen mit besten körperlichen Voraussetzungen handelte, hatte einige Jahre vor Lemming bereits der Coach der Briarcrest Christian School, Hugh Freeze, erkannt, der sich 2002 für die Aufnahme und das Stipendium Ohers einsetzte. Da seine schulische Karriere in neun Jahren zuvor in elf Schulen und damit auch im bildungstechnischen Niemandsland verlaufen war, musste er sich erst seine Aufnahme in die Football und Basketball-Teams der Schule durch schulische Leistungen verdienen.
Ähnliches musste Oher auch vor seiner College-Karriere leisten, nachdem er nach Regeln des akademischen Verbandes NCAA nicht für eine Universität hätte spielen dürfen. Lehigh Anne und ihr Mann Sean, die ihn 2003 in ihr Haus aufnahmen und später adoptierten, besorgten ihm eine Tutorin und sorgten mit speziellen Fernkursen dafür, dass Oher schließlich doch noch für ein College spielen durfte.
Eben jenes "Hilfsprogramm" der Tuhoys rief eine NCAA-Untersuchung auf den Plan. Besonders nach dem klar geworden war, dass Oher die Alma Mater des Ehepaares, die University of Mississippi, besuchen und für deren Football-Team spielen würde. Außerdem gab es einen zweiten, nie offiziell geäußerten Vorwurf: Die Tuhoys, sogenannte Booster, begeisterte Förderer ihrer Universität, hätten Oher von Anfang an als Verstärkung der Ole Miss Rebels gesehen und sich quasi einen College-Spieler "herangezüchtet". Damit wären sie sicher nicht die ersten Booster gewesen, die für einen College-Skandal gesorgt hätten.
Wirklich offen wurden gerade die letzten Vorwürfe nicht geäußert, wie Lehigh Anne 2009 in der ABC-Sendung 20/20 erklärte: "Niemand hat den Mut, es offen uns gegenüber zu sagen. Niemand hat es mir ins Gesicht gesagt. Und wenn es jemand tun würde, würde ich sagen: Mach die Tür zu von außen!"
Bis jetzt ein Happyend!
In derselben TV-Sendung erklärte sie auch, warum sie sich Michael Ohers annahm: "Ich dachte einfach, dass Michael jemanden brauchte und es niemanden in seinem Leben gab. Das hat mir das Herz gebrochen." Dass Michael durch ihre Hilfe nicht nur von der Straße kam, erstmals ein eigenes Bett und so etwas wie eine Familie bekommen hatte, war spätestens im April 2009 klar, als er als 23. Spieler des Draftes von den Ravens gezogen wurde.
Nach drei abgelaufenen Spielzeiten im Ravens-Trikot kann man dem NFL-Spieler Michael Oher außerdem attestieren, eine gute Karriere als Profi-Footballer zu absolvieren. Und das hat er zwar auch der Starthilfe der Tuhoys und auch Tony Henderson, der ihn erst an die Briarcrest Highschool gebracht hatte, aber auch seinen eigenen Fähigkeiten zu verdanken. Manchmal, so möchte man meinen, schreibt das Leben die besseren Drehbücher als so mancher Hollywood-Autor. Und bis jetzt ist Michael Ohers Geschichte eine mit einem Happy End. Happy Birthday, Michael!
Sven Kittelmann