(Seite 2 von 3)
Das liegt in erster Linie an der Abwehrformation, wo Hecking nach den Abgängen von Wollscheid und Maroh noch nach seiner Stamm-Innenverteidigung fahndet und in der Breite bei Weitem nicht so gut aufgestellt ist, wie in der Offensive.
Der Brasilianer Marcos Antonio (29) soll neuer Abwehrchef werden, seine Vita liest sich aber wie die eines Wandervogels. Zuletzt spielte Antonio zwei Jahre bei Rapid Bukarest, davor war er bei insgesamt fünf portugiesischen Clubs angestellt, mit PAOK Saloniki und AJ Auxerre kommen zwei weitere Vereine hinzu. 175 Erstliga-Spiele machte Antonio in dieser Zeit, Erfahrung bringt er also mit.
Noch problematischer kann es daneben werden. Mit Per Nilsson und Timm Klose konkurrieren zwei Innenverteidiger, die entweder verletzungsanfällig (Nilsson) sind oder lange Zeit außen vor (Klose) waren. "Es ist eine 50:50-Entscheidung", sagte Hecking in der Nürnberger Zeitung zu der Frage, wer sich letztlich durchsetzen wird. Der vierte Innenverteidiger heißt Noah Korczowski, ist 18 Jahre alt und noch zu leicht für die Bundesliga.
Somit müssen im defensiven Mittelfeld die beiden Routiniers Hanno Balitsch und der in den Testspielen überzeugende Timmy Simons sowie die beiden Außenverteidiger Javier Pinola und Timothy Chandler - dieses Quartett verkörpert gehobene Bundesliga-Klasse - mehr Verantwortung übernehmen, um die zu Beginn zu erwartenden Abstimmungsprobleme (Hecking: "Es kann anfangs in unserer Abwehr Probleme geben.") auszugleichen. Doch das wird nicht über eine gesamte Saison gelingen, möglicherweise muss der Club im Winter auf dieser Position nachlegen.
Die alten Recken Balitsch (31), Simons (35) und Pinola (29) sollen und werden zudem dafür sorgen, dass Selbstzufriedenheit am Valznerweiher ein Fremdwort bleiben soll. "Wir haben sicherlich gut gearbeitet", gab Pinola in der Bild-Zeitung schon einen ersten Vorgeschmack. "Doch es gibt noch lange keinen Grund mit der Vorbereitung zufrieden zu sein. Unser Pressing muss besser werden. Außerdem schalten wir noch viel zu schlecht von Angriff auf Verteidigung um."
Die Warnungen sind berechtigt, die Saison des Clubs wird kein Selbstläufer. Geht der Auftakt mit den Auswärtsspielen in Hamburg und Mönchengladbach sowie dem Heimspiel gegen Dortmund schief, findet die Abwehr dauerhaft keine Stabilität, stimmt wie in den letzten Testspielen die Rückwärtsbewegung der kompletten Mannschaft nicht oder schlagen die Neuzugänge in der Offensive doch nicht ein, ja, dann kann der Club auch ganz unten reinrutschen und direkt absteigen.
Das begeistert mich am 1. FC Nürnberg
Marcus Krämer: In den vergangenen Jahren waren es Ilkay Gündogan, Mehmet Ekici, Julian Schieber, Daniel Didavi, Jens Hegeler oder Philipp Wollscheid, aktuell sind es Polter, Kiyotake und Gebhart. Junge Spieler kommen gerne nach Nürnberg, egal ob als Leihspieler, um Spielpraxis zu sammeln oder fest verpflichtet, in dem Wissen, bei entsprechenden Angeboten von großen Clubs auch gehen zu dürfen.
Denn anders als bei den anderen Vereinen erhalten die Youngster in Nürnberg eine echte Chance, dürfen sich auch Fehler erlauben und haben mit Hecking einen Mentor, der genau weiß, wie er die jungen Spieler fordern und fördern muss. "Wir sind in dieser Hinsicht eine Marke geworden", sagte der Trainer zurecht in der Frankfurter Rundschau, "mittlerweile versuchen Berater von selbst, die Jugendnationalspieler bei uns unterzubringen."
Das nervt mich am 1. FC Nürnberg
Lars Ahrens: Es fällt mir schwer, etwas Negatives über den Club zu schreiben, denn die Arbeit, die Marcus Krämer treffend skizziert, macht den 1. FC Nürnberg absolut sympathisch. Schade ist die Tatsache, dass genau diese Rolle als Ausbildungsverein dem Club die Chance nimmt, die Früchte seiner Arbeit zu ernten. Permanenter Neuanfang, statt kontinuierlicher Verbesserung - das ist eine verständliche Konsequenz der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch ein bedauerliches Schicksal.