Selbst ihr Lieblingsthema Wimbledon konnte Sabine Lisicki nicht aufheitern. Das bekannte Dauerlächeln war nach dem Erstrunden-K.o. in Stuttgart aus ihrem Gesicht gewichen, die ernste Miene verriet vor allen Dingen eines: Besorgnis. Und das 61 Tage vor Lisickis Saisonhöhepunkt an der Church Road im edlen Londoner Bezirk SW19.
Die letztjährige Wimbledon-Finalistin befindet sich weiter im Teufelskreis: Keine Siege, kein Selbstvertrauen - kein Selbstvertrauen, keine Siege. "Es ist keine leichte Zeit", sagte die 24-jährige Lisicki, die in der aktuellen Jahres-Rangliste ("Road to Singapore") nur Rang 67 einnimmt. Die Berlinerin kündigte nach der ernüchternden 1:6, 3:6-Pleite gegen Ana Ivanovic (Serbien/Nr. 9) an, sie müsse jetzt weiter "hart arbeiten, um mich wieder ranzukämpfen".
Zu wenig Training?
Es sind Sätze, die etliche Experten nur müde lächeln lassen. Nicht wenige Kritiker unterstellen der formschwachen Weltranglisten-14., dass sie körperliche Defizite habe und zu wenig trainiere. Und das nicht erst seit gestern. Ihr Hang zum roten Teppich wird der Bollettieri-Schülerin, die mit dem TV-Comedian Oliver Pocher liiert ist, längst negativ ausgelegt.Lisicki bezeichnet derartige Vorwürfe als "Unsinn" und will sich nicht "in diese Ecke" stellen lassen. Nach der glatten Niederlage gegen die frühere Nummer eins Ivanovic wies sie zurecht darauf hin, dass sie zuletzt wegen einer inzwischen auskurierten Schulterverletzung knapp drei Wochen lang nicht auf dem Court trainieren konnte.
Es war eine plausible Erklärung dafür, warum die ansonsten so aufschlagstarke Powerspielerin beim Service schwächelte. Nur 15 von 31 Punkten (48 Prozent) gewann Lisicki nach dem eigenen ersten Aufschlag, nach dem zweiten waren es sogar nur 26 Prozent. Eine lächerliche Quote für eine, die "Bum Bum Bine" genannt wird.
Viele leichte Fehler
Die Abstinenz vom Trainingscourt konnte allerdings nicht ihre schwache Beinarbeit erklären. Zumal Lisicki betonte, dass sie zuletzt neben der täglich "stundenlang" durchgeführten Reha "viel laufen" war. 32 unerzwungene Fehler (12 Winner) sprechen allerdings eine deutliche Sprache. "Sabine hat einfach zu viele leichte Fehler gemacht", meinte Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner: "Sie muss jetzt Woche für Woche hart arbeiten und dran bleiben, um Selbstvertrauen zu bekommen und wieder zu ihrer alten Form zurückzufinden."Und das möglichst schnell. Bei ihrem Lieblingsturnier in Wimbledon (23. Juni bis 6. Juli) hat Lisicki 1400 Punkte zu verteidigen. Ein frühes Ausscheiden in ihrem "Wohnzimmer" hätte einen rapiden Absturz in der Weltrangliste zur Folge.
"Endlich wieder schmerzfrei"
Daran will sie im Moment aber noch nicht denken - und sieht den Weg als Ziel. "Ich bin endlich wieder schmerzfrei. Das ist schon mal ein guter Anfang", sagte die blonde Rechtshänderin, die sich auch ihren Platz im Fed-Cup-Team zurückholen will.Rittner hatte die deutsche Nummer zwei wegen ihrer anhaltenden Formschwäche nicht für das Halbfinale in Australien (3:1) am vergangenen Wochenende nominiert. Der erste Finaleinzug nach 22 Jahren gab Rittner recht. Die Rückkehr ins Quartett ist mit Blick auf das Finale am 8./9. November in Tschechien aber eines der großen Ziele von Lisicki. "Bis dahin sind noch so viele Turniere", meinte die 24-Jährige, "auch noch drei Grand Slams." Unter anderem Wimbledon - ihr Turnier. Bleibt zu hoffen, dass sie bis dahin nicht nur ihr Lächeln wiedergefunden hat.