Als Ashton Eaton und Rico Freimuth wieder bei Kräften waren, lagen sie sich kurz in den Armen, klopften sich auf die Schulter und tauschten ein paar nette Worte aus. Eaton hatte sich gerade mit letzten Kräften ins Ziel geschleppt und seinen Weltrekord im Zehnkampf auf fabelhafte 9045 Punkte verbessert, Freimuth feierte bei der sensationellen Show des US-Amerikaners mit Bronze den größten Triumph seiner Karriere.
"Wahnsinn, einfach Wahnsinn", sagte Freimuth, der bei der Leichtathletik-WM in Peking endlich einmal sein ganzes Können in allen zehn Disziplinen zeigte - ohne Wackler, ohne Ausreißer nach unten. 8561 Punkte waren der verdiente Lohn. In einem dramatischen abschließenden 1500-m-Lauf hatte Freimuth seinen Konkurrenten um Bronze, Ilja Schkurenew aus Russland, auf Distanz gehalten. Silber sicherte sich Damian Warner aus Kanada (8695).
Freimuth erfüllt sich "Lebenstraum"
"Harte Arbeit zahlt sich aus. Ich habe die Chance bekommen und sie genutzt. Ich habe mir einen Lebenstraum erfüllt", sagte Freimuth in der ARD.
Eaton legte von Beginn an einen furiosen Wettkampf hin. Der Olympiasieger und Titelverteidiger agierte in seinem ersten Zehnkampf seit der WM 2013 auf einem unglaublich hohen Niveau und ließ nie einen Zweifel daran aufkommen, dass er der absolute "König der Athleten" ist.
Der 27-Jährige schraubte seinen eigenen Weltrekord aus dem Jahr 2012 um sechs Punkte nach oben und kassiert für diese Wahnsinns-Leistung vom Weltverband IAAF eine Prämie in Höhe von 100.000 US-Dollar. Der Titel wird dem studierten Psychologen noch einmal mit 60.000 Dollar entlohnt. Eaton sorgte damit für den 21. Weltrekord in der 32-jährigen WM-Geschichte.
Kai Kazmirek (Rhein/Wied) hatte auch lange mit Bronze geliebäugelt, musste sich aber am Ende mit Rang sechs zufrieden geben (8448). Michael Schrader aus Dreieich, der vor zwei Jahren zu Silber gestürmt war, landete am Ende mit 8418 Zählern auf Rang sieben.
Dominator Eaton verteilte ein Sonderlob an seine deutschen Konkurrenten: "Ich liebe die deutschen Jungs. Sie haben den größten Kampfgeist. Ich lerne von ihnen."
Rico Freimuth ist der Sohn von Uwe Freimuth, der in den 80er Jahren einer der besten Zehnkämpfer der Welt war. Zwar liegt die Bestleistung des Papa (8792 Punkte) für Rico weiter außer Reichweite, aber dafür gewann sein Vater nie eine Medaille bei einer großen Meisterschaft - 1983 wurde er in Helsinki WM-Vierter.
Bei den vergangenen großen Meisterschaften hatte Freimuth im entscheidenden Moment oft Nerven gezeigt, bei Olympia in London wurde er Sechster, dann in Moskau bei der WM Siebter wie auch zuletzt bei der EM in Zürich. Jetzt hat es endlich mit dem ganz großen Erfolg geklappt.
Schrader enttäuscht beim Hochsprung
Sein Kumpel und WG-Partner Schrader hatte mit einem enttäuschenden Stabhochsprung (4,60 m) alle Medaillenchancen verspielt. Der Vize-Weltmeister von Moskau freute sich am Ende aber fast so sehr mit Freimuth wie damals über Silber.
Auch sein Comeback in China auf der ganz großen Bühne dürfte Schrader auf dem Weg zu Olympia in Rio neuen Rückenwind geben. Schließlich meldete sich der Sportsoldat in Peking nach langer Leidenszeit wieder richtig zurück und deutete sein enormes Potenzial an. Nach seinem Silber-Coup vor zwei Jahren hatte der 28-Jährige die EM in Zürich vergangenes Jahr nach einem Patellasehnenriss verpasst und musste sich nach der schweren Verletzung erst wieder mühsam an seine Top-Form herankämpfen. In Rio wollen Schrader und Freimuth dann wieder gemeinsam richtig angreifen.