Das Champions League-Spiel zwischen Real Madrid und Juventus Turin ist auch das Duell ihrer in die Jahre gekommenen Torhüterlegenden und Clubikonen. Iker Casillas sitzt bei Real Madrid meist nur noch auf der Bank, auf der Kritiker auch Gianluigi Buffon am liebsten sähen.
Es schwingt viel Mitgefühl in den Worten von Gianluigi Buffon mit, die er im Interview mit der spanischen Tageszeitung AS in Richtung Iker Casillas richtet. Im Januar 2013 hatte sich die Real Madrid-Clublegende die Hand gebrochen und danach unter Ex-Coach José Mourinho seinen Stammplatz bei den Königlichen an Diego Lopez verloren.
Persönliche Animositäten mit dem Special One oder lag es an den sportlichen Qualitäten des Konkurrenten? Jedenfalls beließ es auch dessen Nachfolger Carlo Ancelotti beließ es bei der Torhüterrangfolge und ließ Casillas bisher nur in zwei Champions League-Partien zum Einsatz kommen und dürfte auch gegen Juventus (ab 20.45 Uhr im Live-Ticker) wieder zum Einsatz kommen.
In der Liga hat der Keeper dagegen seit neun Monaten keine einzige Einsatzminute mehr gehabt. "Ich bewundere ihn dafür, wie er mit der Situation umgeht", erklärte Buffon und musste bei diesen Worten auch an seine eigene aktuelle Situation denken: "Ich könnte so eine Entscheidung nicht akzeptieren." Es würde mir schwerfallen, mich auf die Bank zu setzen." Buffon bei Juventus auf der Bank?
Patzer von Buffon häufen sich
Eine Vorstellung, die eingefleischte Juve-Fans vor einem Jahr wohl in schallendes Gelächter hätte ausbrechen lassen, die selbst im letzten April noch komplett abwegig erschien, als Franz Beckenbauer den Keeper bei Sky nach seinem Patzer beim Schuss von David Alaba in einer unbedachten, aber vom schadenfrohen Johlen des Studiopublikums quittierten Äußerung zum "Rentner" degradierte.
Für viele Italiener kam das bereits einer Gotteslästerung gleich. Doch inzwischen werden ähnliche Stimmen vermehrt auch in Italien laut. Die Kritik am ehemaligen Volksheld nimmt nach einer Reihe teils gravierender Patzer in Club und Nationalmannschaft zu. Der Welttorhüter der Jahre 2003, 2004, 2006, 2007 ist mittlerweile nur noch ein Schatten seines früheren Weltklasse-Selbst und absolviert seine bisher schlechteste Saison. Es fing mit Patzern gegen Brasilien beim Confederations Cup an und setzte sich während seiner sieben Serie A-Einsätze nahtlos fort.
Buffon spielte nur zweimal zu Null, hielt gerade einmal 71 Prozent der auf sein Tor abgegebenen Schüsse. Zum Vergleich: Morgan de Sanctis vom Tabellenführer AS Rom kommt auf 94,1 Prozent gehaltene Bälle und sieben weiße Westen, Napoli-Keeper Pepe Reina hielt 81,8 Prozent aller Schüsse, kassierte lediglich sechs Gegentreffer. Sogar Hellas Verona-Schlussmann Rafael parierte mehr Bälle als er. Neun Mal musste Buffon in der Liga bereits hinter sich greifen, dreimal in der Champions League.
Buffons Fehler verunsichern die Juve-Hintermannschaft
An vielen trifft Buffon zumindest eine Mitschuld, wie zum Beispiel beim Gegentreffer gegen Chievo, den er mit einem Abschlag zum Gegner direkt einleitete, oder beim 0:1 durch Didier Drogba gegen Galatasaray (2:2), als er beim Herauslaufen patzte. Oder jüngst beim 2:4 gegen die Fiorentina, als Juve binnen zehn verrückter Minuten eine eigentlich komfortable 2:0-Führung verspielte. Der zwischenzeitliche Ausgleich von Giuseppe Rossi war alles andere als unhaltbar. Vor allem gelangen Buffon in dieser Saison bisher kaum große und wichtige Paraden.
Gegen Milan kamen beim knappen 3:2-Sieg gerade einmal zwei gefährliche Schüsse auf sein Tor, beide saßen. Gegen Kopenhagen in der Champions League dasselbe Spiel. Alles Fehler, die sicherlich auch anderen Torhütern vorkommen können, bei einem Mann seiner Klasse und seiner Ansprüche allerdings schon bemerkenswert sind.
Nicht immer kosten die Patzer auch Punkte, doch Buffons Unsicherheiten färben auch negativ auf seine Vorderleute ab. Wie das Spiel bei der Fiorentina wieder schmerzhaft vor Augen führte: Das Bollwerk der Vorsaison mit Andrea Barzagli, Giorgio Chiellini, Leonardo Bonucci steht im Gesamtverbund bei Weitem nicht mehr so sicher wie in der Vorsaison, in der Juve nach acht Ligaspielen gerade einmal vier Gegentreffer kassiert hatte.
Buffon trotzdem unantastbar
Aber trotzdem wird weder bei Juventus noch in der Nationalmannschaft am Torhüter-Denkmal gerüttelt. "Für mich ist Gigi immer noch der beste Torhüter in Italien und wird bei der WM in Brasilien die Nummer eins sein", stärkte Cesare Prandelli ihm auf einer Pressekonferenz den Rücken. Und auch Antonio Conte sprach Buffon das Vertrauen aus. "Buffon ist ein Champion, sowohl als Fußballer als auch als Mensch. Für mich ist er eine Garantie und wird das auch bleiben." Alternativen drängen sich bei Juve allerdings auch nicht auf.
Ersatzmann Marco Storari ist bereits 36 Jahre alt und spielt leistungsmäßig genau wie Rubinho, die 31-jährige Nummer drei, trotz aller Buffon-Patzer in einer ganz anderen Liga. Daher hofft man bei der Alten Dame, dass ihre Nummer eins schnell wieder die Kurve kriegen kann. Mut macht den Verantwortlichen vielleicht ein weiteres Zitat von Buffon aus dem Interview mit AS, das eigentlich ebenfalls in Richtung Casillas gedacht war, aber genau so gut auch seine eigene Situation beschreiben könnte.
"Die großen Champions entwickeln in negativen Momenten enorme Wut, die Karriere-verlängernd wirken kann", sagte Buffon. Er weiß, wovon er spricht. Schließlich hatten ihn viele 2003 nach seiner Depressionserkrankung auch schon abgeschrieben. Und dann kam er stärker zurück als je zuvor. Totgesagte leben eben immer länger.