Beim Thema Doping kann der sonst so nette Lord Sebastian Coe richtig böse werden. Die Leichtathletik sei "mehr als Blut- und Urinproben", sagte der neue Präsident des Weltverbandes IAAF mit grimmigen Blick. Und: Die Leichtathletik sei trotz aller Enthüllungen und schwerwiegenden Vorwürfe eine "augenscheinlich saubere Sportart".
Coe hat mit dem Abschluss der WM in Peking nun auch offiziell den höchst umstrittenen Lamine Diack nach 16 Jahren auf dem IAAF-Thron abgelöst. Doch der Brite ließ mit seinen Auftritten in China Zweifel aufkommen, ob sich unter ihm in seiner "Familie", wie er die IAAF nennt, wirklich etwas ändern wird.
Doping, Korruption, Vetternwirtschaft, Postenhamsterei, Glaubwürdigkeitskrise, angestaubte Präsentation der Wettkämpfe - die Leichtathletik steckt ohne Zweifel in der Krise. Coe muss auf die Herausforderungen schnell Antworten finden, doch ausgerechnet in der Doping-Debatte gibt der scheinbare Saubermann eine ganz schlechte Figur ab. Mit all seinen Dementis und Zurückweisungen zeigt Coe nur, dass in der IAAF die Nerven blank liegen.
Dienstag sollen die offiziellen Ergebnisse der Dopingtests von Peking bekannt gegeben werden, und natürlich wird sich die IAAF für ihr funktionierendes Anti-Doping-System feiern. Dass die Wahrheit wohl etwas anders aussieht, haben die Recherchen der ARD und der Sunday Times als auch die mindestens zwei positiven Fälle der Kenianerinnen Joyce Zakary und Koki Manunga gezeigt.
"Aufgeregt und stolz"
Coe sagte auch, er sei "aufgeregt und stolz, die Möglichkeit zu bekommen, unseren großartigen Sport in eine neue Ära führen" zu dürfen. Doch im Moment sieht es nicht danach aus, dass Coe wirklich aufräumen wird. Unter Diack schien Korruption und Vetternwirtschaft fast zum guten Ton zu gehören - und auch Coe hortet Posten, die ihn zumindest in Erklärungsnot bringen.
Der umtriebige Brite ist Chef einer internationalen Sportmarketingagentur, die ihre Kunden bei Bewerbungen um Sportgroßveranstaltungen berät. Als IAAF-Präsident hat Coe maßgeblichen Einfluss bei der Vergabe von Leichtathletik-Events. Und Coe ist Senior Advisor bei Nike, einem Großsponsor in der Leichtathletik. Zuletzt wurde die WM 2021 ohne jede Ausschreibung (!) nach Eugene vergeben - wo der US-Sportartikelriese seinen Hauptsitz hat.
Coe kann in alledem keinen Interessenkonflikt erkennen. Schließlich käme es ihm gar nicht in den Sinn, "bösartig zu handeln", sagte der 58-Jährige in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt: "Nein. Ich fühle mich nicht unbehaglich in dieser Frage." Coe versprach: "Für mein Team und mich ist klar: Sollten Konflikte entstehen - ob scheinbar oder offensichtlich -, werde ich die notwendigen Veränderungen vornehmen."
Für Coe steht in Zukunft trotz aller Doping-Probleme die Show im Mittelpunkt, die strahlenden Bilder, die die Stars wie Usain Bolt produzieren sollen. "Leichtathletik ist unser Produkt - Entertainment unser Geschäft", sagte Coe: "Die Leute wollen ein Crescendo aus Ereignissen und am Ende den Höhepunkt."