Nur noch auf Werbeplakaten ist die Mannschaft von Schachtjor Donezk im Straßenbild der vom Krieg in der Ostukraine gebeutelten Metropole vereinzelt präsent. Denn die prekäre Lage an der Grenze zum Nachbarland Russland hat die Profis des einstigen Europapokalsiegers längst ins Fußball-Exil vertrieben. Training in Kiew, Heimspiele in Lemberg - so sieht seit Wochen der Alltag des aktuellen Tabellenführers aus.
Rein sportlich gesehen läuft es beim Titelverteidiger mit vier Siegen in vier Spielen, die interne Stimmung aber ist naturgemäß gedrückt. Nahezu alle Nicht-Ukrainer im Team suchen einen neuen Klub, bis zum Ende der Transferperiode und noch vor dem Start in die Champions League könnte der Kader von Trainer Mircea Lucescu erheblich zusammenschrumpfen. "Ich kann natürlich verstehen, dass die Spieler sich Gedanken machen", sagte der Rumäne.
Um im rund 1000 Kilometer westlich von Donezk entfernten Lemberg ein wenig Heimspielatmosphäre zu erzeugen, werden die schwierigen und langwierigen Reisen der Fans quer durch das zerrissene Land vom Klub zu großen Teilen subventioniert. Die Tickets kosten umgerechnet nur einen knappen Euro. Trotzdem hält sich die Fußball-Begeisterung in der EM-Arena von 2012 in Grenzen. Lucescu: "Natürlich mögen die heimischen Fans ihren Klub FC Karpati lieber als unser Team."
Schachtjors Lokalrivalen geht es kaum besser, auch Metalurg und Olimpik Donezk haben ihrer Heimatstadt längst den Rücken kehren müssen. Dem FC Zorja Lugansk wird bis auf Weiteres Asyl in der Südukraine beim FC Metalurg Saporoschnje gewährt.
"Sinnbild der Einheit der Ukraine"
Dass der nationale Fußball-Verband die Ligaspiele ungeachtet der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den russischen Separatisten durchzieht, soll den Fans ein Stück Normalität vorgaukeln. "Sie sind Sinnbild der Einheit der Ukraine", erklärt Oleg Sinjutka, Bürgermeister des plötzlich zur ukrainischen Fußball-Hauptstadt aufgestiegenen Lemberg.Der seinem Team fehlende Heimvorteil allerdings macht Schachtjor-Coach Lucescu Sorgen: "Da kann sich etwas verschieben. Am Ende wird möglicherweise die Mannschaft Meister werden, die zu den besten Bedingungen spielen kann." Nach fünf nationalen Titeln in Serie für Donezk wittern nun die Ex-Meister Dynamo Kiew und Dnjepr Dnjeprpetrowsk Morgenluft, die regelmäßig in ihrem angestammten Stadion spielen können.
Dies kann auch der PFK Sewastopol, der in der vergangenen Saison als Aufsteiger für Furore in der ukrainischen Liga sorgte. Nach der illegalen Annexion der Krim durch Russland wurde der Klub allerdings aufgelöst und wird als FC Sewastopol nun in der russischen Liga den Spielbetrieb aufnehmen. Auf Antrag des ukrainischen Verbandes sollen sich nun UEFA und FIFA mit diesem Problem auseinandersetzen.