Italien heißt ein möglicher Halbfinalgegner des DFB-Teams. Mit der Form aus dem Irland-Spiel verbreitet die Squadra Azzurra zwar keine Angst, aber die Verletzung von Chiellini könnte eine Rückkehr zur zuvor erprobten Taktik bedeuten.
Nach dem erlösenden Einzug ins Viertelfinale überboten sich alle Italiener in Zurückhaltung - nur der redselige Antonio Cassano machte keinen Hehl aus dem neuen Selbstbewusstsein der Azzurri. "Jetzt kann jeder kommen. Wir haben vor niemandem Angst", tönte der Milan-Angreifer nach dem 2:0-Erfolg im letzten Vorrundenspiel gegen Giovanni Trapattonis Irland.
Es könnte im Viertelfinale allerdings zum Aufeinandertreffen mit Geheimfavorit Frankreich kommen, danach droht ein Halbfinale gegen Deutschland. Aber in der Heimat scheinen Fans und Medien von der wiedergewonnenen Stärke der Mannschaft überzeugt. Der Corriere dello Sport titelte: "Das ist das Italien, das wir lieben!" "Vamos Italia!", kommentierte Tuttosport.
Unbegründete Sorgen
Dabei hatte die Squadra Azzurra in Posen nicht nur 90 Minuten plus Nachspielzeit zu überstehen. Der Blick ging immer wieder zum Parallelspiel zwischen Spanien und Kroatien, allerdings fielen dort nicht wie befürchtet viele Tore und so stand der Viertelfinaleinzug bereits in der Schlussphase fest. "Wir hatten alle ein bisschen Angst", gab Routinier Andrea Pirlo allerdings zu.
Fünf Punkte aus drei Spielen bescherten dem viermaligen Weltmeister den zweiten Tabellenplatz in der Gruppe C hinter Spanien. Vergessen waren alle Verschwörungstheorien über Ergebnisabsprachen zwischen Spanien und Kroatien ein 2:2 oder ein höheres Remis hätten für Italien trotz des Sieges das Aus bedeutet. "Diese Qualifikation haben wir uns verdient", betonte Daniele De Rossi.
Das Viertelfinale soll es aber noch nicht gewesen sein. Italien ist Turnierspezialist. Nach schwachem Beginn wussten sich die Azzurri in der Vergangenheit bei Turnieren immer wieder phänomenal zu steigern - siehe die Weltmeisterschaften 1982 und 1994. "Solche Spiele schenken einem immer diese besonderen Emotionen", erzählte Gianluigi Buffon nach dem Sieg über die aufopferungsvoll kämpfenden Iren. Der Erfolg war zwar hochverdient, nach der Führung durch Cassano (35.) aber lang nicht gesichert. Erst Joker Mario Balotelli (90.) sorgte für Gewissheit.
Chiellini fehlt verletzt Rückkehr zur Dreierkette?
"Vielleicht hatten wir es nur nötig, Selbstvertrauen zu gewinnen", meinte Coach Prandelli und lobte vor allem die moralische Stärke seiner Spieler: "Die Qualität kommt eh' immer zum Vorschein, aber wenn du nicht dein Herz rein steckst, tust du dich einfach schwer." Prandelli hatte sein Team umgestellt, er baute wieder auf eine Viererkette und zog Daniele de Rossi ins Mittelfeld. Gegen stärkere Gegner könnte es aber wieder zur Dreierkette mit de Rossi kommen, zumal Abwehrroutinier Giorgio Chiellini verletzt ausgewechselt werden musst und sogar länger ausfallen könnte.
Wille, Leidenschaft, Aufopferung - alles Tugenden, die Prandelli seit seinem Amtsantritt 2010 predigt. Nach dem starken 1:1 gegen Spanien und dem enttäuschenden 1:1 gegen Kroatien war die Partie gegen die Iren vor allem eine Charakterfrage. "Es war wichtig, uns selbst ein Signal zu geben", meinte der Trainer, der sich nicht an ein ähnlich nervenaufreibendes Match erinnern konnte. "Das sind typisch wir", erklärte Keeper Buffon. "Gegen die Besten der Welt spielen wir auf Augenhöhe, gegen die vermeintlich Schwachen tun wir uns schwer."
Vor allem weil nach Antonio Di Natale nun auch die Sturmkollegen getroffen haben, könnte das Spiel entscheidend sein für größere Harmonie im Team. Der exzentrische Balotelli, der trotz seines Tores mit riesigen Kopfhörern schweigend an den neugierigen Journalisten vorbeilief, wurde etwa für seine Reservistenrolle entschädigt. "Ist doch egal, wer die Tore schießt", sagte Pirlo.