Turn-Wahnsinn in Stuttgart: Erst Gold für Sophie Scheder, dann ein Triumph für Andreas Bretschneider - auf dem olympischen Weg nach Rio ist den deutschen Kunstturnern beim DTB-Pokal in Stuttgart ein historischer Doppelsieg gelungen. Erstmals in der Weltcup-Geschichte gingen beide Siege an deutsche Athleten, die Porsche-Arena wurde zum Tollhaus, und knapp 5000 Zuschauer klatschten sich die Hände wund.

Bereits am Samstag hatte die 19-Jährige den ersten deutschen Frauensieg seit 31 Jahren beim "Wimbledon des Turnens" eingefahren, 24 Stunden später zog Bretschneider nach und schnappte sich am letzten Gerät, dem Reck, noch den Gesamtsieg bei den Männern.

"Eigentlich wollte ich nur einen guten Wettkampf turnen und sehen, was dabei herauskommt. Mit einem solchen Ergebnis habe ich wirklich nicht gerechnet", sagte der 26-Jährige, der immer wieder ungläubig den Kopf schüttelte und das Resultat kaum begreifen konnte.

Kaum schlechter machte es Marcel Nguyen. Der Olympia-Zweite von London 2012 im Mehrkampf hatte zwar keine Siegchance, feierte aber mit Rang vier einen blendenden Saisoneinstand. Defizite beim Sprung und vor allem beim Pauschenpferd und verwehrten dem Unterhachinger einen Platz auf dem Podium.

"Ich habe mich in guter Verfassung gefühlt, das war wichtig", sagte der 28-Jährige, der in den kommenden Wochen noch mehr an der sauberen Ausführung seiner Übungen arbeiten will.

Frauen auf Platz Zwei im Team-Wettbewerb

Beim Daumendrücken für ihre Teamkollegen war die ehemalige Junioren-Europameisterin Scheder somit genauso erfolgreich wie an den vier Geräten. "Das war einfach genial, dafür macht man den Sport", sagte die Schülerin, deren Triumph Bundestrainerin Ulla Koch die Tränen in die Augen trieb: "Dieser Sieg wird alle unsere Mädchen noch mehr motivieren."

Im abschließenden Mannschafts-Wettbewerb der Frauen kam das deutsche Team, angeführt von der Lokalmatadorin Elisabeth Seitz, auf den zweiten Platz. Der Sieg ging an die Riege aus Russland, die Schweiz kam auf Rang drei.

Immerhin umgerechnet 14.600 Euro kassierten Scheder und Bretschneider als Siegprämie für ihren kaum erwarteten Erfolg. Folgerichtig zog man beim Deutschen Turner-Bund (DTB) ein positives Fazit. "Wir wähnen uns auf einem guten Vorbereitungsstand", sagte DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam.

Hambüchen für Rio weiter fraglich

Allerdings: Noch ist der Start des Topturners Fabian Hambüchen (Schulterprobleme) bei der Quali für Rio nicht endgültig gesichert, bis Ende März soll und muss sich der ehemalige Reck-Weltmeister aus Wetzlar erklären.

Erleichtert war man auch beim ausrichtenden Schwäbischen Turnerbund. Wegen der Umgestaltung der Weltcupserie fand der DTB-Pokal erstmals seit seiner Premiere vor 33 Jahren nicht im Herbst, sondern im Frühjahr statt. Doch das Publikum nahm den neuen Termin gut an, an beiden Wochenendtagen war die Porsche-Arena nahezu ausverkauft.

Und so soll es beim März-Termin auch in den kommenden vier Jahren bleiben. 2017 wird der DTB-Pokal vom 17. bis 19. März ausgetragen, zwei Wochen später ist dann das Weltcup-Finalturnier in Tokio geplant.