Das Nein von Hamburg zu Olympia 2024 hat den deutschen Sport tief getroffen. Erstmals gesteht DOSB-Präsident Alfons Hörmann Fehler ein. Auch die stets gepriesene Reform von IOC-Präsident Thomas Bach verfehlte ihre Wirkung. Die Folgen sind verheerend: Der deutsche Sport wird immer mehr zur Zweiklassen-Gesellschaft, in der "König Fußball" den Ton angibt.
"Mit mehr Zeit hätte man das Thema Finanzierung vielleicht besser klären können", sagte Hörmann dem Hamburger Abendblatt: "Ich kann aber auch der Bundesregierung nicht böse sein, dass sie bei dieser Größenordnung nicht ohne intensive Prüfung einen Haken hinter den Kostenvoranschlag macht."
Der Bund hatte bis zuletzt seine Bereitstellung von 6,2 Milliarden Euro offen gelassen und der Bewerbung damit nicht geholfen. So etwas hätte nicht passieren dürfen. Dass der DOSB trotz aller Enttäuschung mit dem Bund keinen öffentlichen Streit vom Zaun bricht, ist auch verständlich. Der deutsche Sport benötigt regelmäßig vom Staat mehr Geld für die Förderung seiner Spitzenathleten. Und alternative Geldquellen wie etwa private Sponsoren dürften nach dem Olympia-Aus nicht gerade Schlange stehen.
Kein Alleinstellungsmerkmal
Doch auch Bach muss sich fragen, warum seine Agenda in Deutschland nicht gezündet hat. Auch in Boston konnte das Reformwerk, dass eine Abkehr der Olympischen Spiele vom Gigantismus vorsieht, nicht greifen. Die US-Metropole verzichtete schon vor geraumer Zeit auf die Kandidatur und überließ Los Angeles das Rennen.
Bach jedoch wollte seine Agenda für den erneuten Rückschlag in Hamburg nicht verantwortlich machen. "Die Entscheidung wurde möglicherweise auch beeinflusst von bedauernswerten Doping- und Korruptionsfällen in anderen Sportorganisationen", sagte der oberste Olympier lieber und lobte sein Werk: "Das ist sehr schade, da das IOC Transparenz und Good Governance sicherstellt und strikte Anti-Korruptions-Regeln mit seinem Reformprogramm, der Olympischen Agenda 2020, anwendet. Diese entsprechen höchsten internationalen Standards."
Experten wie der Sportsoziologe Eike Emrich haben gehörige Zweifel an der Durchschlagskraft der IOC-Reform. "In einem Umfeld, in dem die verschiedensten Kulturen vertreten sind - in den Sportverbänden sind bis zu mehr als zweihundert nationale Verbände vertreten, egal, ob sie Hunderte oder Millionen Sportler vertreten -, in einem solchen Umfeld sind die Chancen auf Veränderung gering", sagte der ehemalige Vizepräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) der FAZ.
Die Gefahr Fußball
Während der olympische Sport weiter trauert, lebt König Fußball lebt dagegen gänzlich unberührt die Vision vom Megajahr 2024: Während die kleineren Sportarten nach dem gescheiterten Olympia-Referendum in der Hansestadt große Zukunftssorgen plagen, greift der DFB unbeirrt nach der EM in neun Jahren.
Es gebe deutliche Unterschiede zwischen einer Europameisterschaft im eigenen Land und den Olympischen Spielen, "die sicherlich auch bei der Bewertung der Bürgerinnen und Bürger eine Rolle spielen werden", sagte DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball. Eine EM-Endrunde werde über einen Zeitraum von einem Monat "punktuell" an bestehenden Bundesliga-Standorten ausgetragen, nicht zwei Wochen lang in einer einzigen Stadt.
Die Chancen für einen Zuschlag im Jahr 2017 stehen weiter bestens, einziger Konkurrent ist bislang die Türkei. Die Gefahr, dass der Fußball die olympischen Sportarten noch weiter an den Rand drückt, wächst also.