Auf diese Chance musste Felix Brych lange warten. Nach 986 Tagen mit immer wiederkehrendem Hohn und Spott kann der Münchner endlich auf der ganz großen Bühne beweisen, dass er mehr ist als nur der Phantomtor-Schiedsrichter, der am 18. Oktober 2013 in Sinsheim kurz vor 22.00 Uhr eine unglückselige Entscheidung getroffen hat.
Das EM-Viertelfinale zwischen den Polen um Kapitän Robert Lewandowski und den Portugiesen mit Superstar Cristiano Ronaldo am Donnerstag (21 Uhr) in Marseille ist das erste K.o.-Spiel, das Brych bei einer Endrunde pfeifen darf. Bei der WM vor vier Jahren war für den Unparteiischen nach zwei Vorrundenpartien Schluss gewesen.
Ob der Jurist in Frankreich sogar vom Finale träumen darf, hängt aber nicht nur von seiner Leistung am Donnerstag ab - auch das Viertelfinal-Aus der deutschen Auswahl müsste wohl hinzukommen.
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Zu verdanken hat Brych die Möglichkeit zur Rehabilitation vor den Augen von ganz Europa dem Schiedsrichter-Chef der UEFA. Schließlich hat Pierluigi Collina seinen deutschen Schützling nach dem Ende der Gruppenphase in den höchsten Tönen gelobt. Vor allem im brisanten Bruderduell zwischen England und Wales (2:1) habe Brych eine "großartige Entscheidung" getroffen, sagte der Italiener.
Brych ohne Fehl und Tadel
"Ich war im Stadion und habe es nicht gesehen. Ich habe drei Jahre meines Lebens verloren, weil ich sicher war, dass es eine falsche Entscheidung war. Aber es war absolut richtig", sagte Collina über die vermeintliche Abseitsstellung vor dem Ausgleichstor des Engländers Jamie Vardy zum zwischenzeitlichen 1:1. Brych und sein Team hatten in der unübersichtlichen Situation alles korrekt gesehen - Vardy stand nicht im Abseits.
Auch am Auftritt Brychs in der Begegnung zwischen Schweden und Belgien (0:1) hatte Collina nichts auszusetzen - auch wenn die schwedischen Medien das anders sahen. Sie machten den Schiedsrichter für das Aus der Skandinavier mitverantwortlich, weil er ein Tor von Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic wegen eines vorhergehenden "hohen Beins" des früheren Hamburgers Marcus Berg nicht gegeben hatte.
"Grand Slam" perfekt
Doch Kritik ist für Brych wahrlich nichts Neues, seit er vor knapp drei Jahren den Kopfballtreffer von Stefan Kießling (Bayer Leverkusen) im Gastspiel bei 1899 Hoffenheim anerkannte, obwohl der Ball durch ein Loch im Netz von außen im Tor gelandet war.
Trotz dieses fatalen Fehlers hatte Brych, dessen EM-Team aus seinen Assistenten Mark Borsch (Mönchengladbach) und Stefan Lupp (Zossen), den Torrichtern Marco Fritz (Korb) und Bastian Dankert (Rostock) sowie Ersatz-Assistent Marco Achmüller (Bad Füssing) besteht, seinen "Grand Slam" bereits mit dem ersten EM-Einsatz perfekt gemacht.
Schließlich war der zweimalige "DFB-Referee des Jahres" (2013 und 2015), der seit 2004 in der Bundesliga pfeift und drei Jahre später zum FIFA-Schiedsrichter aufstieg, neben der WM vor zwei Jahren auch schon bei den Olympischen Spielen 2012 und dem Confed Cup 2013 dabei.