Für EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kann die FIFA durch die zahlreichen Korruptionsaffären keinen Anspruch auf unkontrollierte Eigenständigkeit mehr erheben. "Ich rufe nicht gleich nach staatlicher Aufsicht. Aber wir müssen zumindest klären, ob alle Regeln vereinbar sind mit öffentlich-rechtlichen Regeln. Man wird relativ schnell sehen: Nein, das ist nicht vereinbar. Diese internen Regeln reichen nicht", sagte der SPD-Politiker im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor der Abstimmung seines Hauses über eine FIFA-Resolution: "Daher müssen wir genauer hinschauen."
Vor diesem Hintergrund empfindet Schulz "Rücksichtslosigkeit, Korruption, offenbar auch Habgier und Egomanie" als die derzeitigen Botschaften der FIFA: "Die Debatte, wie man die Transparenz erhöhen kann, muss geführt werden. Wenn das alles nur zu Lasten eines Verbandes ginge, wenn das allein sein Risiko wäre, könnte man damit leben. Aber das tut es nicht: Es fließen enorme öffentliche Mittel in den Fußball."
Wirtschaftsunternehmen mit eigenen Regeln
Aus Sicht des 59-Jährigen besteht die Gesamtproblematik bei der FIFA in ihrer jahrzehntelangen Entwicklung "zu einem multinationalen Wirtschaftsunternehmen, das sich eigene Regeln gibt. Dabei werden milliardenschwere Geschäfte abgewickelt, und deshalb ist das System so anfällig für Abhängigkeiten, Geschäftemacherei und letztlich auch für Korruption".
Mit Blick auch auf die seiner Meinung nach gewachsene Bedeutung des Sports und seiner Vereine für Fortbestand und Zusammenhalt der Gesellschaft plädiert Schulz für eine Aufwertung des Sports durch die Politik.
Zur Lösung politischer Konflikte indes würden Boykotte von Großveranstaltungen in undemokratischen Staaten wie die Europaspiele ab Freitag in Aserbaidschan kaum beitragen können, meinte Schulz: "Diejenigen, die politische Verantwortung für die Vergabe hatten, müssen ihre Stimme erheben. Von einem Verbandspräsidenten kann ich das erwarten, von einem Sportminister sowieso. Und in Baku müssten sie zu den Menschenrechtsverstößen Stellung nehmen. Wer Haltung zeigt, wird wahrscheinlich auf Dauer die Bereitschaft von Diktaturen senken, sich überhaupt zu bewerben."