Dietmar Beiersdorfer lehnte sich zurück, holte tief Luft - dann teilte er aus. Mit einem bemerkenswerten Auftritt hat der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV in der Rucksack-Affäre den Druck auf Sportdirektor Peter Knäbel erhöht. Neben der Polizei schaltete Beiersdorfer nun auch private Ermittler ein, um die peinliche Posse aufzuklären.
"Wir haben ein Wirtschaftsprüfungs-Institut beauftragt, den Fall unabhängig zu untersuchen", sagte Beiersdorfer am Mittwoch während der Pressekonferenz. Dass klubinterne Dokumente, darunter Gehaltslisten der Profis, in einem Hamburger Park gefunden wurden, nannte der 51-Jährige einen "Schlag ins Kontor".
Normalerweise nimmt Beiersdorfer nicht an den Presserunden vor Spielen teil. Am Mittwoch kam er, und formal zeigte er sich bemüht, Knäbel sein Vertrauen auszusprechen. "Das Delikt wurde nicht von Knäbel begangen. Es ist klar, dass wir hinter unseren sportlich Verantwortlichen stehen", sagte der frühere Nationalspieler: "Man sollte niemanden vorverurteilen. Peter Knäbel genießt unser vollstes Vertrauen, er arbeitet 24 Stunden an sieben Tagen der Woche für unseren Klub."
"...dann wird das neu bewertet"
Auf der anderen Seite ist das Einschalten einer zusätzlichen Instanz neben der Polizei auch ein Indiz dafür, dass der früh als Krisenmanager geforderte Beiersdorfer ein Versagen Knäbels nicht ausschließen kann. "Erst mal wollen wir eine unabhängige Untersuchung, dann wird das neu bewertet", erklärte er vieldeutig. Die Hamburger Morgenpost hatte zuvor berichtet, die Darstellung Knäbels zum Verlust des Rucksacks habe "Lücken" aufgewiesen und solle nun "bis ins Detail aufgelöst werden".
Dass dem Klub in diesen Tagen Fauxpas um Fauxpas unterläuft, passt in das desolate Bild, das der HSV am Sonntag beim peinlichen Pokal-Aus bei Carl Zeiss Jena (2:3 nach Verlängerung) abgab. So wurde am Mittwoch bekannt, dass der HSV in seinen Fan-Shops T-Shirts verkauft hatte, die fälschlicherweise auch eine Choreographie aus dem Fanblock des Ligarivalen Hertha BSC abbildeten. Der HSV hat den Verkauf des T-Shirts gestoppt.
Bei all dem Chaos abseits des Platzes gehen die sportlichen Sorgen fast unter. Angesichts der unlösbar erscheinenden Aufgabe zum Liga-Auftakt beim Meister Bayern München am Freitag (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) rief Beiersdorfer die Spieler zu einer Leistungssteigerung auf: "Das spielerische Vermögen, die Leistungsfähigkeit und die Mentalität müssen deutlich besser werden, um in der Bundesliga zu bestehen." Dabei sind die Ziele des 51-Jährigen eigentlich höher. "Wir wollen den Schritt ins Mittelfeld tun. Das muss und wird mit dieser Mannschaft möglich sein", sagte Beiersdorfer.
Zumindest an "Hilfe" mangelt es nicht: Beim Training am Mittwoch warf eine Frau mit den Worten "Damit ihr in München nicht untergeht" einen Rettungsring in den Vereinsfarben auf den Platz. Am Dienstag kamen 25 Schornsteinfeger in den Volkspark, um der Mannschaft Glück zu bringen. Das wird angesichts der letzten Auftritte in München nötig sein - 2:9, 1:3 und 0:8 hieß es da. "Wir brauchen schon einen Sahne-Tag", räumte Trainer Bruno Labbadia freimütig ein.