Deutschlands Spitzenathleten wollen sich unabhängiger vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) machen und planen die Gründung einer Gewerkschaft. Bei der Vollversammlung der Athletenvertreter der DOSB-Spitzensportverbände in Bonn wird am Sonntag unter "TOP 5 - Zukunft der Athleten" der Antrag gestellt, "die rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine eigenständige Organisation der Athletenvertretung in Deutschland zu prüfen".
Der Antrag stammt von den Mitgliedern der DOSB-Athletenkommission. Die Eigenständigkeit, so heißt es weiter, solle eine vernünftige Professionalisierung der Interessenvertretung der Athletinnen und Athleten der Spitzenverbände für die Zukunft sichern und ein nachhaltiges und wirksames Netzwerk der Athletenvertreter untereinander dauerhaft etablieren.
Dieses Ziel, mit dem sich die Athleten im erheblichen Maße vom Dachverband emanzipieren würden, solle "unter Berücksichtigung der bisherigen DOSB-internen Rahmenbedingungen, "aber auch unter den Möglichkeiten einer eigenständigen Konstellation mit unabhängiger Satzung geprüft werden".
Derzeit werden Deutschlands Leistungssportler innerhalb des DOSB von einer siebenköpfigen Athletenkommission unter dem Vorsitz des Ruderers Christian Schreiber repräsentiert. Alle Spitzenverbände haben zudem ihre eigenen Athletensprecher, die derzeit aber übergreifend kaum abgestimmt agieren.
"Am liebsten wäre mit die komplette Unabhängigkeit"
"In den vergangenen zwei Jahren hatten wir viele wichtige Themen, das Anti-Doping-Gesetz, den russischen Dopingskandal, nun steht die Strukturreform an. Wir haben gemerkt, dass uns die Themenvielfalt als ehrenamtlich gewählte Gruppe überfordert", sagte Athletenkommissionsmitglied Max Hartung dem SID: "Wir vertreten als Athletenkommission an die 10.000 Sportler in Deutschland, und wir würden gerne professioneller, aber auch freier und unabhängiger vom DOSB die Athleten unterstützen."
Die Ausgestaltung der Pläne, so der ehemalige Fecht-Weltmeister, sei noch "total offen", ebenso eine Finanzierung. "Am liebsten wäre mir persönlich die komplette Unabhängigkeit, das ginge aber nur über ein Mitgliedschaftsmodell. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir bei den Einkommen, die die olympischen und paralympischen Sportler erzielen, eine Zahlungsbereitschaft zustande bringen würden, um eine funktionierende hauptamtliche Struktur auf die Beine stellen zu können", sagte Hartung: "Das heißt: Wir werden mit dem DOSB sprechen, mit der Sporthilfe, mit dem Sportausschuss und dem Bundesinnenministerium."
Hartung betonte, dass man "nichts aus dem DOSB herausbrechen" wolle. Ein Gedankenspiel sei, dass die DOSB-Athletenkommission von einer "wie auch immer gearteten Athletengewerkschaft der Aufsichtsrat ist", sagte Hartung.
Bei der Sitzung in Bonn soll die Athletenkommission den Auftrag erhalten, bis 2017 ein Konzept auszuarbeiten.