Am Freitag berät der Bundestag über das Anti-Doping-Gesetz, das ab 2016 gelten soll. Begleitet wird der Beginn der parlamentarischen Prozedur von heftigen Diskussionen.
Neue Speerspitze im Anti-Doping-Kampf oder Stückwerk voller Mängel? Wenn am Freitag der Bundestag in erster Lesung über das neue Anti-Doping-Gesetz berät, trennen die Entscheidungsträger aus Politik und Sport Welten.
Auf der einen Seite stehen Innenminister Thomas de Maiziere und Justizminister Heiko Maas, die den "permanenten Regelbruch vor den Augen der Öffentlichkeit" nicht länger dulden wollen. Dem gegenüber steht an der Spitze einer mittlerweile ziemlich großen Gruppe von Zweiflern DOSB-Präsident Alfons Hörmann, der den Teufel im Detail sieht und vor allem um das Sportrecht als einzig wahre Waffe des Anti-Doping-Kampfes fürchtet.
Die Fronten sind verhärtet, raue Rhetorik auf beiden Seiten lässt kaum Spielraum für Kompromisse und lässt auf eine Zerreißprobe schließen. Hörmann sitzt am kürzeren Hebel. "Man kann natürlich die Dinge jetzt einfach per Dekret erlassen, sagen: friss oder stirb! Auch das ist ein Weg", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes reichlich frustriert: "Ob dies den Stil unserer Zusammenarbeit für die Zukunft prägen sollte, würde ich ganz vorsichtig in Frage stellen."
Kritik: Gesetz nur für 7000 Spitzensportler
Gebetsmühlenartig trug Hörmann in den vergangenen Wochen seine Einwände vor und biss in schöner Regelmäßigkeit bei Maas und de Maiziere - mit dem Innenminister und größtem Geldgeber des Spitzensports muss er zeitgleich über eine Neuordnung der Sportförderung verhandeln - auf Granit. "Es ist Zeit für die ultima ratio, es ist Zeit für das Strafrecht", sagte Maas. Er verwies immer wieder darauf, dass es dem Sport in Jahrzehnten nicht gelungen sei, das Dopingproblem zu lösen. Großartig ändern will er den Gesetzentwurf nicht mehr.
Dabei kommen immer mehr Bedenken auf, und nicht alle haben ihren Ursprung im Sport. Das bayerische Justizministerium etwa kritisiert, dass sich das Gesetz nur auf 7000 Spitzensportler beschränkt. Schließlich könnten dann gefundene Mittel plötzlich nicht mehr einem Profi, sondern einem Breitensportler gehören, der auch weiterhin Dopingsubstanzen "in nicht geringen Mengen" besitzen darf.
Der Deutsche Anwaltverein bezeichnet den Gesetzentwurf als "falschen Weg". Er funktionalisiere mit der Schöpfung eines neuen Rechtsguts ("Fairness im Sport") das Strafrecht zu einem Ordnungsinstrument zur Durchsetzung sportethischer Ziele um. Zudem werde versucht, durch eine "kaum praktikable und dogmatisch nicht überzeugende Abgrenzung von Breiten- und Leistungssport die Verletzung einer gesellschaftlichen Vorbildfunktion strafrechtlich zu ahnden". Damit regele man am falschen Ort und "bedenklich undifferenziert" die Statthaftigkeit von Schiedsgerichtsvereinbarungen.
Sportrechtler Michael Lehner hält das Gesetz in der angedachten Form gar "wegen Nichtbeachtung der persönlichen und beruflichen Grundrechte der Athleten" für verfassungswidrig. Für Diskussionen sorgt zudem weiter die Frage, ob Sportler nach Inkrafttreten des Gesetzes sogar Dopingproben verweigern könnten, damit sie sich dadurch nicht selbst belasten. "Das Aussageverweigerungsrecht ist bei uns fundamental", sagt die Juristin Sylvia Schenk, ehemalige Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer.
Sportler mit Angst
Sportler bekommen es schon mit der Angst zu tun - angeblich nicht wegen der strafrechtlichen Konsequenzen von bis zu drei Jahren Haft, sondern weil sie leichter Opfer von Manipulationen werden könnten. Diskus-Olympiasieger Robert Harting fürchtet, dass ihm ein Konkurrent oder Neider etwas in die Sporttasche stecken könnte, das wegen der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit künftig ganz schnell ein Ermittlungsverfahren auslösen könnte. Ohnehin, so ein immer wiederkehrendes Sportlerargument, sei ein auf Deutschland begrenztes Gesetz ohne weltweite Harmonisierung nutzlos.
Die im Gesetzentwurf integrierte Stärkung von Sportrecht und Athletenvereinbarung stößt unter anderem bei Claudia Pechstein auf strikte Ablehnung. Im Schadenersatz-Prozess der einst so umstritten gesperrten Eisschnellläuferin hat das Münchner Oberlandesgericht der internationalen Sportgerichtsbarkeit in diesem Punkt noch eine schallende Ohrfeige verpasst. Eine Sammelklage aus Sportlerkreisen gegen das Gesetz ist längst vorbereitet.
Desweiteren kritisieren Datenschützer die angedachte Stärkung der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA), die künftig viel enger mit den Staatsanwaltschaften kooperieren soll. Hüter der reinen Anti-Doping-Lehre wie der Heidelberger Molekularbiologe Werner Franke wüten über die Tatsache, dass verdächtige Ärzte auch künftig nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden werden können und der Entwurf keine explizite Kronzeugenregelung vorsieht.
Zum 1. Januar 2016 soll das neue Gesetz in Kraft treten. Nach der ersten Lesung folgen noch die öffentliche Anhörung im Bundestag am 17. Juni sowie die zweite und dritte Lesung, die noch vor September stattfinden sollen. Die Diskussionen werden den Prozess weiter begleiten.