Mit dem Sieg beim Confed Cup und den Auftritten danach demonstrierte die Seleção neue Stärke: Trainerfuchs Luiz Felipe Scolari hat in wenigen Monaten eine schlagkräftige Mannschaft zusammengeschweißt.
Es ist Zeit, Brasiliens Fußball-Geschichte neu zu schreiben. Das Maracanazo, die historische WM-Pleite vor 63 Jahren gegen Uruguay im eigenen Land abzuhaken, das schlechte Vorzeichen eines Confed-Cups-Triumphs zu widerlegen, die Erfolgssaga "Família Scolari" um ein Kapitel zu erweitern.
Bei der Präsentation des "Canarinhos", des traditionellen kanariengelben Trikots, sprach Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari Ende November den Fans nach der Wiederversöhnung aus dem Herzen. "Hier fehlt noch eine Sache: der sechste Stern. Den müssen wir bei der WM holen", verkündete der 65-Jährige. Ausdruck des neuen Selbstvertrauens in der und um die Seleção.
Mit dem 3:0 im Finale des Confed Cups, des "Festivals der Champions", gegen Weltmeister Spanien war der Stimmungshebel im Gastgeberland der 20. WM-Endrunde endgültig umgelegt. Die von Fans und Spielern aus voller Kehle gesungene "Hino Nacional" hatte ansteckende Wirkung. "O Gigante acordou", hallte es auf den Straßen wieder. Der schlafende Riese war erwacht, sportlich und politisch.
Capello hat dem Team wieder ein Gesicht gegeben
Am 28. November 2012 hatte Scolari, der zehn Jahre zuvor mit Ronaldo, Rivaldo, Ronaldinho und Co. in Fernost im Finale gegen Deutschland Weltmeister geworden war, erneut die Seleção übernommen. Ein Team ohne Gesicht, ohne Richtung, ohne Rückhalt im eigenen Volk, zurückgelassen vom blassen Mano Menezes, der fünfmalige Weltmeister ohne Sieg gegen seinesgleichen.
Das Jahr 2013 begann mit einer Niederlage in England, brachte nur einen Sieg in den ersten sechs Duellen, dann aber zwölf Triumphe, die nur ein 0:1 kurz nach der Sommerpause gegen die Schweiz unterbrach. Dabei wurden auch wieder Weltmeister besiegt: Frankreich, Italien, Uruguay, Spanien.
Nach 19 Partien unter "Felipão" stehen 13 Siege zu Buche bei vier Unentschieden und zwei Niederlagen. Das Torverhältnis von 47:15 untermauert die neue Angriffslust. Insgesamt wurden 49 Spieler in dieser Periode getestet. "Das Team steht zu 105 Prozent. Ich habe 25 Spieler, muss noch zwei ausrangieren", verkündete der Coach, der mit Portugal 2006 WM-Vierter geworden war.
Die Bundesliga ist auch vertreten. Dante von Bayern München ist erster Ersatz in der Innenverteidigung, der Wolfsburger Luiz Gustavo, einziger aktueller Seleção-Star bei der Trikotvorstellung, hat gar eine Stammplatzgarantie auf der "Sechser"-Position. Dagegen dürfte für den Wolfsburger Diego oder Münchens Rafinha der WM-Zug abgefahren sein.
Brasilien glaubt wieder an sich
Gleiches gilt wohl auch für einen Kaká oder Ronaldinho. Denn der neue Star der Seleção heißt Neymar, der beim Confed Cup demonstrativ die Nummer 10 überstreifte und nur im Halbfinale gegen Uruguay nicht traf. "Vor wenigen Monaten hat keiner einen Pfifferling auf uns gesetzt, und jetzt glauben wieder alle an uns", sagte der neue Star von Spaniens Topklub FC Barcelona.
Der Confed-Cup-Triumph garantiert jedoch nichts. Unter offiziellem Namen seit 1997 konnte bislang keines der siegreichen Teams bei der folgenden WM den Titel holen. Für Brasilien kommt noch die Schmach von 1950 hinzu, als Uruguay der Seleção im überquellenden Maracanã ein Bein stellte.
Um diesen Flüchen ein Ende zu setzen und dem Aberglauben den Boden zu entziehen, wird wieder einmal die Familie Scolari heraufbeschworen, der starke Zusammenhalt zwischen Spielern und Betreuerstab. Ein Erfolgsmodell, das bereits 2002 funktionierte.