"Klassehalten" steht in riesigen Lettern auf der neuen Nordtribüne. Dort, wo fleißige Arbeiter unweit der Reeperbahn jeden Tag an der Zukunft des FC St. Pauli werkeln. Das Schmuckkästchen Millerntor-Stadion ist fast fertig, die Kassen des Klubs sind nach Jahren des soliden Wirtschaftens zudem prall gefüllt. Doch die glänzenden Zukunftsaussichten werden erheblich von der prekären sportlichen Gegenwart getrübt. Das Horrorszenario Abstieg würde den Fußball-Zweitligisten weit zurückwerfen.
"Wir werden in Darmstadt wieder eine starke Leistung bieten müssen, um unser Ziel zu erreichen", sagte Trainer Ewald Lienen, der seine Mannschaft in den letzten Wochen zu einem beeindruckenden Leistungssprung geführt hat. Fünf der letzten sieben Partien haben die Hamburger gewonnen, zuletzt sogar dreimal in Serie, darunter das beeindruckende 5:1 gegen den VfL Bochum. Doch trotz des fünften Platzes in der Rückrundentabelle könnte St. Pauli am Ende auf Rang 17 abrutschen.
Nur zwei Punkte trennen die derzeit auf 14 rangierenden Hanseaten von den direkten Abstiegsrängen, St. Pauli ist weiter in höchster Gefahr. Und nun müssen die Braun-Weißen auch noch ans Böllenfalltor, wo Darmstadt 98 am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) mit Mann und Maus um den Bundesliga-Aufstieg kämpfen wird. Doch das schüchtert den erfahrenen Lienen nicht ein: "Alle, die um den Klassenerhalt kämpfen, sind hoch motiviert und in Topform. Da wird es für jeden Gegner schwer".
Klub ist schuldenfrei
Der 61-Jährige strahlt im nervenaufreibenden Schlussspurt große Ruhe und Gelassenheit aus. "Selbst wenn wir absteigen sollten, ginge das Leben weiter", sagte Lienen kürzlich in einem Zeit-Interview: "Sportlich müssten wir mit weniger Geld zurechtkommen, an der Philosophie aber ändert sich gar nichts."
Doch der Klub, der längst alle Schulden abgebaut hat und in den vergangenen vier Jahren teils Millionengewinne erwirtschaftete, müsste plötzlich mit Mindereinnahmen von rund 12 Millionen Euro leben und den Gürtel deutlich enger schnallen. Sportlich stünde Chefcoach Lienen ein Neuanfang bevor, nur wenige der aktuellen Profis besitzen Verträge für die 3. Liga.
Und so ist es nur konsequent, jegliche Störfaktoren vor dem Endspiel in Darmstadt beiseite zu räumen. Angesichts des Bahnstreiks überlegen die Kiezkicker laut Informationen der Bild-Zeitung sogar, den Großteil der Reise zum Böllenfalltor im gecharterten Flieger zurückzulegen, um die Strapazen vor dem Endspiel möglichst gering zu halten.