Der Weltmeister im Würgegriff des Terrors: 110 Tage nach den verheerenden Anschlägen in Paris mit 130 Toten bestimmte das Thema Sicherheit den Workshop der Trainer und Verbandsvertreter der 24 an der EURO 2016 teilnehmenden Teams in unmittelbarer Nähe des Eiffelturms.
"Wir können das Thema nach den Vorfällen nicht ignorieren. Aber ich vertraue auf die französischen Behörden und bin deshalb trotz der schlimmen Erfahrungen vom November ganz gelassen", sagte Bundestrainer Joachim Löw nach dem Treffen mit seinen Kollegen in der Stadt, wo am 10. Juni das Turnier mit der Begegnung zwischen Gastgeber Frankreich und Rumänien eröffnet und am 10. Juli das Finale stattfinden wird.
Löw hofft auf "eine friedliche EM mit vielen tollen Spielen". Dass wegen einer Terrorwarnung möglicherweise ein Match kurzfristig in eine andere Arena verlegt und vor leeren Rängen ausgetragen wird, ist für den 56-Jährigen unvorstellbar: "Ich will mich nicht mit dem Worst Case befassen, aber keiner will doch ein Spiel in einem leeren Stadion. Das kann doch keiner wollen."
Das sieht auch DFB-Sicherheitschef Hendrik Große Lefert so, für den es in Sachen Sicherheit auf "die richtige Mischung" ankommt. Dass sich vor allem die deutsche Mannschaft daran gewöhnen muss, dass "viele zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen" in ihrem Umfeld getroffen werden, sei auch der "geopolitischen Lage" geschuldet, sagte er dem SID.
DFB-Team wird von Spezialkräften bewacht
"Als Weltmeister steht Deutschland mit seinen prominenten Spielern natürlich unter besonderer Beobachtung. Dementsprechend werden die Sicherheitsmaßnahmen rund um die deutsche Mannschaft sein", sagte OK-Sicherheitschef Ziad Khoury dem SID, ohne Einzelheiten zu verraten. Nach Angaben von Große Lefert wird das DFB-Team bei all seinen Aktivitäten unter anderem von "Spezialkräften" bewacht. Einzelheiten konnte und wollte auch er nicht preisgeben.
Löw lässt sich von den besonderen Umständen äußerlich nicht beeindrucken und lenkt den Fokus auf das Sportliche: "Unser Ziel ist es, am 10. Juli im Stade de France das Finale zu spielen." Dass er 101 Tage vor dem ersten Gruppenspiel seiner Mannschaft in Lille gegen die Ukraine noch eine Menge Baustellen zu bearbeiten hat, bereitet ihm keine Kopfschmerzen. "Es ist normal zu diesem Zeitpunkt, dass der ein oder andere verletzt ist und manche Spieler mit ihrer Form kämpfen. Darin sehe ich kein Problem. Das hat alles zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagekraft, denn ich brauche jetzt noch keine Mannschaft", sagte Löw.
Am Beispiel seines aktuell angeschlagenen Kapitäns Bastian Schweinsteiger (Manchester United) erklärt Löw seine Philosophie. "Bastian war vor der WM verletzt und auch zu Turnierbeginn noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Pünktlich zum Finale war er dann topfit und macht das Spiel seines Lebens." Mit einem überragenden Schweinsteiger gewann Deutschland in Maracana das Finale gegen Argentinien 1:0 nach Verlängerung.
Ähnliches kann sich der Bundestrainer auch für Frankreich vorstellen, zumal der Weg bis zum Titel erstmals über sieben Spiele geht. "Da benötige ich zwei Mannschaften. Es muss nicht sein, dass ein Spieler alle sieben Spiele bestreitet. Es ist sinnvoller, wenn es vier oder fünf Spiele sind. Deshalb bin ich auch ganz entspannt", so Löw, der am Donnerstagmittag trotz der vielen Unwägbarkeiten hinsichtlich der EURO mit einem guten Gefühl die französische Hauptstadt wieder Richtung Deutschland verließ.