
Die deutsche Nationalmannschaft hat bei der Weltmeisterschaft in Brasilien das Viertelfinale erreicht. In der Runde der letzten 16 setzte sich das DFB-Team mit 2:1 (0:0, 0:0) nach Verlängerung gegen Algerien durch und trifft nun am Freitagabend auf Frankreich.
DEUTSCHLAND
Manuel Neuer: Mit Abstand bester deutscher Spieler der ersten Halbzeit. Überragend in der Antizipation tiefer Anspiele der Algerier, rettete dreimal in höchster Not als eine Art Libero. Allerdings auch immer an der Grenze zum Fehler oder einem folgenschweren Foul als letzter Mann. Mit etwas Wahnsinn und viel Genie: Ließ erst eine leichte Ecke fallen, dann folgte ein genauer Abschlag auf Schürrle, der beinahe zum Tor geführt hätte. Hatte mehr als ein Dutzend Aktionen außerhalb des Strafraums, ehe er in der 75. Minute einen Ball auf der Linie stehend fangen durfte. Am Ende mit unglaublichen 19 Aktionen außerhalb des Strafraums und bis zur letzten Sekunde hellwach. Beim Gegentor machtlos. Note 1,5
Shkodran Mustafi: Rutschte für den erkrankten Mats Hummels in die Startelf und nahm Boatengs Platz rechts in der Viererkette ein. Löw blieb mit der Entscheidung für Mustafi seiner konservativen Besetzung der Viererkette nur mit gelernten Innenverteidigern treu. Mit einem nervösen Beginn, zwei verunglückten Flanken aus guter Position und einem dicken Patzer in der Defensive. Rückte immer wieder sehr hoch auf, wurde aber mit zunehmender Spieldauer kaum noch eingebunden ins Spiel. Durch seine Positionierung ein Sicherheitsrisiko in der Defensive. Ordentlicher Offensivkopfball gleich nach der Pause, nur zu schlecht platziert. Nach 70 Minuten wegen einer Verletzung am Oberschenkel ausgewechselt. Note 4,5
Per Mertesacker: Neben dem fahrigen Boateng zunächst noch einigermaßen souverän, dann aber unter Druck immer wieder mit neutralen Bällen, anstatt den nahestehenden Mitspieler zu bedienen. Durch Algeriens Anlaufen gezwungen, die Spieleröffnung mitzugestalten und da mit Problemen. Ebenso gegen die wendigen wie wuchtigen Feghouli und Slimani. Rückte auch extrem hoch nach und stand bisweilen an der Mittellinie als letzter Mann - was natürlich die Gefahr barg, in einen Konter zu laufen. Übler Stellungsfehler dann beim Konter in der 76. Minute, als Boateng den Querpass noch klärte. Note 4,5
Jerome Boateng: Rückte von der Seite zurück auf seine Stammposition im Zentrum und fiel in der ersten Halbzeit vor allen Dingen durch Inkonsequenz in seinen Aktionen auf. Kaum dran am Gegenspieler, schlafmützig im Kopf. Kam im zweiten Durchgang besser in die Partie und wurde sicherer. Und rettete Mertesacker bei einigen Aktionen quasi den Kopf. Kurz vor dem Ende mit einem überragenden Zweikampfverhalten gegen Slimani, als der schon auf und davon schien. Am Ende trotz der missratenen Anfangsphase noch der beste deutsche Abwehrspieler. Note 4
Benedikt Höwedes: Wirkte ziemlich deplatziert auf seiner linken Seite. In der Defensive wie die anderen der Viererkette mit einigen Problemen, offensiv nahezu ohne Anknüpfungspunkt. Aufrücken? Nicht aufrücken? Höwedes verlor sich oft im Nirgendwo und hatte dann weder Angriffs- noch Abwehrposition. In der Stellung nutzlos für das deutsche Angriffsspiel, weshalb auch die Zuspiele auf ihn immer noch weniger wurden. Guter Kopfball eine Viertelstunde vor Schluss - und im Vorlauf zu Schürrles Tor sehr aufmerksam im Mittelfeld, als er einen Pass ablief und schnell den Gegenangriff einleitete. Gegen Ende der Partie plötzlich in den Zweikämpfen sehr präsent und mit guten Tacklings. Note 4
Philipp Lahm: Musste sich immer wieder die Bälle sehr tief abholen und konnte so in der ersten Halbzeit zu selten im Angriffsdrittel Akzente setzen. Das wurde im zweiten Durchgang deutlich besser, dann kam der Kapitän sogar in gute Abschlusspositionen und gegen Ende der Partie sogar bis zur gegnerischen Grundlinie - ab der 70. Minute allerdings in seiner Funktion als rechter Verteidiger, wohin er nach Mustafis Ausfall wechseln musste. Hier offensiv eine Klasse besser als sein Vorgänger, machte gut Betrieb auf seiner Seite. Bei seinen Tacklings nicht immer mit dem richtigen Timing, rückte beim Gegentor eine Spur zu weit ein und konnte Djabou nicht mehr folgen. Note 3,5
Bastian Schweinsteiger: Bekam nach langem Rätselraten doch den Vorzug vor Khedira. Ohne die ordnende Hand wie noch im USA-Spiel. Brauchte lange, um sich zurechtzufinden, wurde dann aber immer wichtiger, je mehr das Spiel auf Messers Schneide stand. Vergab vor dem Ende der regulären 90 Minuten eine gute Kopfballchance freistehend. Zeigte bis zu seiner Auswechslung nach 109 Minuten eine gute körperliche Präsenz und stemmte sich in unzähligen Zweikämpfen dem Gegner entgegen. Spielerisch aber nicht so stark wie zuletzt. Am Ende von Krämpfen geplagt ausgewechselt. Note 3,5
Toni Kroos: Kam mit Algeriens Mittelfeldpressing nur schwer zurecht. Musste immer wieder eine Schleife drehen, wenn er unter Druck gesetzt wurde und setzte die Abspiele nicht zügig und präzise an den Mann. Schwamm sich phasenweise immer wieder frei, dann leistete er sich wieder schlimme Fehlpässe. Seine Standards, zumeist hoch getreten, blieben wirkungslos. Nicht der erhoffte Gestalter gegen einen tiefstehenden Gegner. Note 4
Thomas Müller: Nach 23 Minuten mit ganzen vier Ballkontakten - so abgeschnitten war der Torjäger vom deutschen "Spielfluss". Bis etwa Mitte der zweiten Halbzeit bis auf eine Kopfballchance kaum zu sehen, dann aber immer besser und in der Schlussphase der 90 Minuten mit den besten deutschen Chancen. Die er aber auch ungewohnt leicht vergab. Dann die Vorbereitung zum Siegtor, als er mit Tempo auf den Gegenspieler zugehen konnte und dann eine ordentliche Flanke schlug. Auch in der Folge immer gefährlich. Wirkte als einer der wenigen auf dem Platz auch am Ende der 120 Minuten noch körperlich frisch. Note 3
Mario Götze: Der Münchener feierte nach der kurzen "Auszeit" gegen die USA seine Rückkehr in die Stammformation und nahm hauptsächlich den Platz links in der Offensivreihe ein. Mit jeder Menge leichter technischer Fehler, ohne Zusammenspiel mit Höwedes. Zu viele individuell schlechte Entscheidungen von Götze. Mit der Riesenchance zur Führung kurz vor der Pause, die er aber leichtfertig vergab. Nach 45 Minuten für Schürrle ausgewechselt. Note 5
Mesut Özil: Begann wie schon gegen die USA auf der für ihn eher ungewohnten rechten Seite. Rückte aber immer wieder früh ins Zentrum, wo er auch ein paar ordentliche Szenen hatte. Ließ Ghoulam aber bei dessen Großchance einfach davonziehen (18.). Wurde immer schlampiger in seinem Passspiel. Immerhin bewegte er sich gut und brachte sich durch kurze, intensive Antritte in Position. Wechselte nach der Pause auf links. Auch da mit jeder Menge Leerlauf, inkonsequent in seinen Zweikämpfen. Hatte angekündigt, in der K.o.-Phase voll da zu sein. Zu sehen war davon noch nicht viel. Trotz seines Tores eine Minute vor dem Ende der Verlängerung. Note 4
Andre Schürrle: Kam nach der Pause für Götze und ging auf die rechte Angriffsseite. Gleich gut drin im Spiel auf der eher ungewohnten Position. Dann aber mit ein paar Einzelaktionen zu viel. Bis zum Abpfiff nach 90 Minuten dann nicht mehr so wirkungsvoll. Beim Tor aber artistisch und technisch anspruchsvoll. Starker Joker, auch wenn ihm nicht alles gelang. Aber ein Tor und ein Assist sprechen für sich. Note 2,5
Sami Khedira: Kam nach 70 Minuten für den verletzten Mustafi. Ging an Kroos' und Schweinsteigers Seite ins Mittelfeld. Brachte aber auch nur vereinzelt jene Ordnung ins Spiel, die das deutsche Spiel gebraucht hätte. Gute Flanke vor Müllers dicker Chance. Schlimmer Querschläger im eigenen Strafraum, der fast den Ausgleich bedeutet hätte. Danach noch mit einem guten Dribbling und einem abschließenden unsauberen Pass. Symptomatisch für seine Verfassung: Mit guten Ansätzen, aber immer noch nicht bei 100 Prozent. Note 3,5
Christoph Kramer: Kam elf Minuten vor dem Ende für Schweinsteiger. Hatte bei seinem ersten WM-Einsatz sogar sein erstes Tor auf dem Fuß. Keine Bewertung.
ALGERIEN
Rais MBolhi: Der algerische Schlussmann bewegte sich zwischen Genie und Wahnsinn. In der ersten Halbzeit wirkte er unsicher bei Fernschüssen, die er in schöner Regelmäßigkeit nach vorne abprallen ließ. In der 40. Minute hatte er großes Glück, dass Mario Götze einen solchen Fehler nicht zur deutschen Führung nutzen konnte. Nach der Pause rückte MBolhi dann immer mehr in den Mittelpunkt und zeigte seine Qualitäten auf der Linie bei guten Paraden zum Beispiel gegen den Schuss von Lahm (55.) oder den Kopfball von Müller (89.). Die Schwächen in der ersten und die starken Szenen in der zweiten Halbzeit ergeben insgesamt eine durchschnittliche Note: 3,5.
Aissa Mandi: Als rechter Außenverteidiger hat man gegen die deutsche Nationalmannschaft bei dieser WM eine der leichteren Aufgaben, da sich Linksverteidiger Höwedes selten konstruktiv einschaltet und Mario Götze meilenweit von seiner Bestform entfernt ist. Trotzdem muss sich Mandi vorwerfen lassen, dass er sich selber zu selten offensiv mit einschaltete und außerdem das vorentscheidende 1:0 durch Schürrle von Müller über seine Seite vorbereitet wurde. Note: 4.
Essaid Belkalem: Stand zu Beginn gut und ließ Müller in der ersten Halbzeit kaum zur Entfaltung kommen. Als der Druck der deutschen Mannschaft nach der Pause dann zunahm, offenbarte die algerische Innenverteidigung immer wieder große Lücken. Vor allem in der Schlussviertelstunde der regulären Spielzeit sowie der Verlängerung war Belkalem der Kräfteverschleiß anzumerken. Er war nur noch selten Herr der Lage. Note: 4.
Rafik Halliche: Der Abwehrchef hat zwar statistisch schwache Zweikampfwerte aufzuweisen, stand in vielen Situationen aber goldrichtig und konnte so vor allem viele der flachen Hereingaben der deutschen Außenspieler klären. Geriet nach der Pause mit ins Schwimmen, als die Deutschen die Schlagzahl deutlich erhöhten, trug aber seinen Teil dazu bei, dass Algerien das 0:0 über die reguläre Spielzeit rettete. Note: 3,5.
Faouzi Ghoulam: Der linke Außenverteidiger gehörte in der starken Anfangsphase der Algerier zu den besten und auffälligsten Akteuren auf dem Platz. Sorgte mit seinen Vorstößen, langen Bällen und Hereingaben immer wieder für Gefahr und hätte nach schöner Kombination in der 18. Minute eigentlich das 1:0 für "Les Fennecs" erzielen müssen. Sah dann nach der Pause nur noch die Hacken des starken André Schürrle, der Ghoulam defensiv so sehr beschäftigte, dass er offensiv komplett aus dem Spiel war. Note: 3,5.
Mehdi Mostefa: War im defensiven Mittelfeld eigentlich in erster Linie mit destruktiven Aufgaben betraut und sollte das deutsche Aufbauspiel zerstören, was nur bedingt gelang. Schaltete sich dafür aber auch immer wieder gefährlich in die Offensive ein und vergab zwei der größten algerischen Chancen: In der 39. Minute wurde sein Schuss von Boateng gefährlich abgefälscht, in der 101. Minute hätte er nach einer Ecke aus kurzer Distanz eigentlich das 1:1 erzielen müssen. Note: 4.
Mehdi Lacen: Der defensive Mittelfeldspieler war zweikampfstark, verschob gut, stellte Räume zu und leitete nach Ballgewinn einige gefährliche Konter ein. Zeigte insgesamt eine sehr solide Leistung, ohne dabei besondere Glanzpunkte zu setzen. Note: 3,5.
Saphir Taider: Hatte zwar nicht so viele auffällige Aktionen wie zum Beispiel Feghouli, war bis zu seiner Auswechslung in der 78. Minute aber der zweikampfstärkste algerische Mittelfeldspieler und machte es der deutschen Mannschaft vor allem in der ersten Halbzeit extrem schwer, sich Chancen zu erarbeiten. Note: 3.
El Arbi Soudani: Unauffällig ist noch zu nett gesagt. War über weite Strecken nahezu unsichtbar und an kaum einer guten Offensivaktion beteiligt. War zwar Bestandteil des über weite Strecken funktionierenden algerischen Kollektivs, dabei aber definitiv das schwächste Glied in der Kette. Note: 4,5.
Sofiane Feghouli: Zeigte ein ganz starke Partie, war vor allem in der ersten Halbzeit nahezu omnipräsent. Gewann hinten wichtige Zweikämpfe und war offensiv an den meisten gefährlichen Aktionen beteiligt. Besonders sehenswert war dabei sein Tänzchen im deutschen Strafraum in der 14. Minute, bei dem er vor allem Boateng ganz alt aussehen ließ, dann aber überhastet abschloss, anstatt einen der besser postierten Mitspieler zu bedienen. Trotzdem der mit Abstand stärkste Algerier. Note: 2.
Islam Slimani: Der Stürmer war sehr bemüht und zwang Manuel Neuer durch sein ständiges Lauern auf lange Bälle zu einer Vielzahl klärender Aktionen außerhalb des Strafraums. Hätte mit seinem Kopfballtreffer schon früh zum algerischen Volkshelden werden können, stand dabei aber knapp im Abseits (16. Minute). Später ließen seine Kräfte deutlich nach, blieb aber trotzdem bis zum Schluss gefährlich. Note: 3.
Yacine Brahimi: Sollte nach seiner Einwechslung vor allem das Unentschieden sichern, aber auch offensiv für Entlastung sorgen. Das gelang bedingt. Holte in der Verlängerung die Gelbe Karte gegen Philipp Lahm und einen Freistoß aus passabler Position heraus, den er dann aber selber vollkommen ungefährlich vors Tor brachte (107.). Note: 3,5.
Yacine Bougherra: Musste in der Verlängerung den verletzten Halliche ersetzen, konnte als frischer Mann aber nicht verhindern, dass die Deutschen bei ihren Entlastungsangriffen immer wieder gefährlich zum Abschluss und in der Schlussminute zum entscheidenden 2:0 kamen. Note: 4.
Adbelmoumene Djabou: Kam spät und konnte dem Spiel keine Wende mehr geben. Versuchte es aber und erzielte zumindest den Ehrentreffer. Auch wenn es am Ende ein müßiges Gedankenspiel bleiben wird, darf man sich für einen Moment ausmalen, was passiert wäre, wenn Özil kurz vor seinem Treffer in der Nachspielzeit nicht das 2:0 erzielt hätte. Note: 3.