
Dass Bayern München die Champions League gewinnen kann, wissen wir alle. Bei aller Euphorie über die Sensationssaison der Münchner sollte man aber nicht vergessen, was alles schief gehen kann. Hier sind fünf Gründe, die im Halbfinale gegen Bayern sprechen.
1) Lionel Messi
Starten wir nicht mit dem originellsten, sondern zum Warmwerden mit dem naheliegendsten Grund für Barcelonas Finaleinzug. Dass Lionel Messi der beste Spieler der Welt ist, muss nicht betont werden, dass er alleine mit seiner Ballverarbeitung bei Tempo und auf engstem Raum aus fast jeder Spielsituation Tore kreieren oder selbst erzielen kann, ist bekannt. Die Abhängigkeit vom Superstar galt in den letzten Monaten europaweit als Schwachstelle Barcelonas, das ohne ihn lange nicht so übermächtig erschien wie mit Messi.
Messi spielt aber gegen Bayern München. Und auch, wenn es eine Reihe von Strategien gibt, Messi seiner Effektivität zu berauben (etwa, indem man ihn in Spielfeldbereiche abdrängt, in denen er ungefährlicher ist), so muss Bayern aufpassen, durch diese nicht entweder sein eigenes Spiel zu vernachlässigen oder Barcelonas anderen Schlüsselspielern wie Andres Iniesta, Xavi oder Sergio Busquets zu viel Raum zu überlassen. Messi könnte, Banalität hin oder her, den Unterschied ausmachen.
2) Siegermentalität
Man muss die psychische Seite von Fußballspielen auf diesem Niveau nicht überbewerten. Schließlich gibt es genug andere Qualitäten, die entscheidend sein können, und gerade erfahrene Profis sollten in der Lage sein, mit Stress souverän umzugehen. Aber wenn die Mentalität ins Spiel kommen sollte, so kann man das nicht als Bonus für den FC Bayern auslegen. Denn die spanischen Schlüsselspieler Barcelonas wie Xavi und Andres Iniesta haben teilweise schon fünf internationale Finals gewonnen und noch keines verloren (ein Weltmeistertitel, zwei Europameistertitel und zweimal die Champions League).
Bayerns Profis hingegen kennen internationale Finals nur von der Verliererseite her. Wie gesagt: Das muss kein zentraler Faktor sein, und einmal müssen Serien ja auch reißen. Aber für Bayern spricht dieser Aspekt jedenfalls nicht.
3) Pressingresistenz
Zu den großen Stärken Bayerns in dieser Saison zählt bekanntlich das Pressing - vor allem das Gegenpressing nach Ballverlusten. Das Umschaltverhalten nach Ballverlusten, dass die Münchner zeigen, ist das vielleicht beste auf der Welt. Riskant wird es allerdings, das zu praktizieren, wenn man es im Mittelfeld mit sehr ballsicheren Gegenspielern zu tun hat, die selbst unter größtem Druck noch einen Pass anzubringen wissen. Nun kann man natürlich die Anspielstationen für solche Pässe ihrerseits pressen, doch wenn das nicht klappt, dann sind naturgemäß hinter den pressenden Spielern Lücken entstanden.
Sind die pressenden Spieler einmal ausgespielt, so wird es dann brandgefährlich für die Mannschaft, die das Gegenpressing praktiziert. Das ist keineswegs ein Argument gegen diese Spielweise, denn Bayern hat oft genug demonstriert, dass das Team hier perfekt zusammenarbeitet. Aber Barcelona ist halt nicht irgendein Gegner, sondern der Gegner, der Ballbesitz gewöhnt ist wie keine zweite Mannschaft im Weltfußball.
4) Der Spannungsbogen
Bayern München seine perfekte Saison vorzuhalten, und das als Argument gegen ihren Finaleinzug zu verwenden, ist eine fragwürdige Taktik. Vielleicht haben die Münchner einfach alles in dieser Saison zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und schaffen es, ihre Rekordsaison mühelos zum Drei-Titel-Happy-End zu führen. Aber oft erlebt man es nicht, dass eine Mannschaft sich über Monate praktisch keine Schwächen leistet. 19 Siege in den letzten 20 Pflichtspielen, das ist ein ziemlich genaues Spiegelbild der Hinrunde von Barcelona.
Traditionell sagt man, dass Teams ihren Saisonzenit in der entscheidenden Phase der Saison erreichen müssen und nicht zu früh auf dem optimalen Niveau angekommen sein sollten. Wenn diese Binsenweisheit stimmt, so spricht sie nicht unbedingt für die Bayern, denn große Steigerungsmöglichkeiten scheinen die Münchner in dieser Saisonphase nicht mehr zu besitzen. Möglich natürlich, dass das aktuelle starke Niveau dennoch reicht.
5) Mario Mandzukic
Die Qualitäten von Mario Mandzukic sind in den letzten Wochen selbst dem Gelegenheitsfußballzuschauer deutlich geworden. Auch an seiner Person lässt sich der Leistungssprung des Münchner Fußballs im Vergleich zur Vorsaison festmachen (neben Dante und Javi Martínez natürlich). Mandzukics Arbeit gegen den Ball und sein riesiger Aktionsradius bieten der Mannschaft insgesamt mehr als die zahlreichen Tore von Mario Gomez es in der Vorsaison getan haben - und das war auch schon nicht wenig.
Nun ist Mandzukic aber leider im Hinspiel nicht dabei, Bayern muss entweder auf Gomez oder auf Claudio Pizarro zurückgreifen (oder wie zuletzt auf beide). Eine andere Variante, etwa mit falscher Neun, hat Bayern in der gesamten Saison noch nie gespielt und es ähnelt Jupp Heynckes nicht, in einem so wichtigen Spiel taktische Radikalexperimente durchzuführen. Gomez oder Pizarro haben den Münchnern dabei durchaus gute Dienste geleistet. Nur ein einziges der Spiele, in denen Mandzukic nicht in der Startformation stand, wurde nicht gewonnen: beim 1:1 in Valencia mit Pizarro als Spitze. Aber es hat ja seinen Grund, dass Mandzukic für die wichtigsten Spiele geschont wird und gerade gegen hochwertige Gegner seinen Wert beweist. Sein Ausfall zwingt Bayern im Hinspiel dazu, sein Spiel leicht anzupassen. Und im Rückspiel könnte es schon zu spät sein.