
Der eine muss, der andere kann: Für Bernd Storck und seine Ungarn ist der EM-Ausflug schon jetzt ein Märchen, der deutsche Coach hat in Frankreich absolut nichts mehr zu verlieren. Für Belgiens Trainer Marc Wilmots ist das Achtelfinale am Sonntag (21 Uhr im LIVETICKER) dagegen nur die nächste Pflichtaufgabe auf seiner Titel-Mission.
"Um ehrlich zu sein, hätte ich lieber gegen England oder Spanien gespielt", sagte Wilmots vor dem Start der K.o.-Runde: "Da hat man nichts zu verlieren." Er nehme die Favoritenrolle zwar an, doch das frühere Bundesliga-"Kampfschwein" hat großen Respekt vor dem Duell mit Storck und seinen ungarischen "Riesen". Aus gutem Grund.
Storck, der stets adrett gekleidete Fußballlehrer aus Herne in Westfalen, begründet dieser Tage eine Renaissance der früheren Fußball-Großmacht. 50 Jahre nach dem Ende der legendären Ära des genialen Ferenc Puskás rockt sein Team die EM, nach einer sensationellen Vorrunde träumt nicht bloß die Heimat vom ersten Viertelfinale bei einem großen Turnier seit 1966.
"Wir haben auch weiterhin vor niemandem Angst. Ich bin von meiner Mannschaft überzeugt", sagt Storck. 44 Jahre nach der bislang letzten EM-Endrunden-Teilnahme marschierte seine Mannschaft ohne Niederlage durch die ersten drei Spiele, niemand schoss in der ersten Turnierphase mehr Tore.
Im Gegensatz zu Wilmots, der sich mit der belgischen Presse bislang im Dauerclinch befand, genießt Storck das plötzliche Interesse an ihm und seiner No-Name-Auswahl spürbar. Bei einer Pressekonferenz wollte die UEFA-Sprecherin schon abbrechen, weil das offizielle Zeitfenster längst überschritten war, doch der frühere Bundesliga-Profi redete einfach weiter.
"Jemand der 24 Stunden Fußball lebt"
"Er ist jemand, der 24 Stunden am Tag den Fußball lebt und liebt", sagt Ungarns Co-Trainer Andreas Möller voller Bewunderung über seinen Chef.
Sowohl Storck als auch Wilmots liefern ehrliche Arbeit ab, wie sie es in Dortmund und auf Schalke gelernt haben, sie geben sich keine Mühe, als Fußball-Intellektuelle daherzukommen - mit dem feinen Unterschied, dass Wilmots bei der EM eigentlich nur verlieren kann. Während die Ungarn wegen des Ex-Borussen Storck einen kaum für möglich gehaltenen Höhenflug erleben, haben die Roten Teufel, das jedenfalls suggeriert die öffentliche Meinung, eher trotz des Ex-Schalkers Wilmots Erfolg.
Doch der 47-Jährige, dessen hoch gelobtes Team in der Vorrunde nur langsam in Tritt kam, gibt sich ungeachtet der latenten Nörgelei in der Heimat zuversichtlich. "Wir sind im Turnier gewachsen, meine Spieler werden stärker", sagte Wilmots. Und Storck-Assistent Möller meinte: "Dass wir das Achtelfinale erreicht haben, ist schon fantastisch. Alles weitere ist eine Zugabe." Wilmots muss. Storck kann.