Zwei Berliner Spieler sind bereits zu ihren Nationalteams abgereist, doch die Mitspieler trainieren noch auf eine mögliche Wiederholung des umstrittenen Relegationspiels hin. Und auch die Juristen scheinen sich erst warmgelaufen zu haben - Hertha setzt in der nächsten Instanz auf Videobeweise. Intern fordert ein Präsidiumsmitglied bereits den Kopf von Manager Michael Preetz.
Nach der Niederlage in erster Instanz will Hertha BSC im Verfahren nach dem Relegationsspiel von Düsseldorf weiterhin juristisch Vorgehen. Die Berliner setzen dabei auf Verfahrensfehler sowie Video- und Fotobeweise.
"Es gibt Videobeweise, die zeigen, dass die Umstände ganz klar zu einer Schwächung geführt haben", sagte Berlins Anwalt Christoph Schickhardt. Diese Dokumente hatte das DFB-Sportgericht bei seiner Verhandlung nicht zugelassen und Herthas Einspruch abgewiesen. Nun wird sich das DFB-Bundesgericht am Freitag erneut mit dem Fall beschäftigen.
Der Hamburger Sportrechtler Jan Räker sieht "klare Verfahrensfehler" des Sportgerichts. Dies seien genau die Art von Rechtsfehlern, die bei einer übergeordneten Instanz, einem ordentlichen Gericht, die Entscheidung aufheben könnten, sagte er. "Das DFB-Bundesgericht ist daher gut beraten, sich die Bilder anzuschauen, denn sie könnten entscheidungserheblich sein", erklärte Räker.
Rechtsanwalt Lehner: Ständiges Schiedsgericht steigert Herthas Chancen
Kritisch wurde der Richterspruch unter Juristen diskutiert. "Damit kann ich wenig anfangen", sagte Rechtsanwalt Michael Lehner der Zeitung Die Welt. Nach Meinung des Sportrechts-Experten hätte es ein Wiederholungsspiel geben müssen. "Da hätte ich gar keine Beweisaufnahme gebraucht: Wenn 1000 Zuschauer über den Rasen rennen und die Spieler flüchten müssen, dann ist das eine Schwächung der Mannschaft, die angreifen muss."
Lehner glaubt, dass Herthas Chancen auf ein Wiederholungsspiel erst ab der nächsten Instanz nach dem Bundesgericht, dem Ständigen Schiedsgericht, steigen. "Das ist deutlich breiter besetzt", sagte er. Ob Hertha bei einer weiteren juristischen Niederlage diesen Schritt vor das Schiedsgericht überhaupt geht, scheint aber eher unwahrscheinlich.
Kein Einspruchsgrund?
Ob das Bundesgericht die Videobeweise zulässt, ist aber noch offen. Am Freitag wird das Gericht unter dem Vorsitz von Goetz Eilers über die Berufung der Berliner beraten. In der ersten Instanz war das Sportgericht der Hertha-Argumentation nicht gefolgt. "Der Einspruch hatte keinen Erfolg, weil kein Einspruchsgrund nachzuweisen war", hatte Richter Hans E. Lorenz in seiner Begründung erklärt.
Das chaotische Relegations-Rückspiel (2:2) zwischen Hertha und der Fortuna musste dreimal unterbrochen werden. Kurz vor Ende der Partie hatten Düsseldorfer Fans den Rasen gestürmt. Schiedsrichter Wolfgang Stark konnte die Nachspielzeit erst nach 21-minütiger Unterbrechung zu Ende spielen lassen. "Wir haben Anspruch auf ein ganzes faires Spiel", forderte Schickhardt.
Auf Düsseldorfer Seite hielten sich die Verantwortlichen nach dem Sieg in der ersten Instanz mit dem großen Jubeln noch zurück. "Wenn ich ehrlich bin, ist meine Gefühlslage eher bescheiden", sagte Präsident Peter Frymuth. "Ich hätte mir nach dem Aufstieg eigentlich mehr Euphorie gewünscht." Finanz-Vostand Paul Jäger meinte: "Eine Berufung ist kein Scheingefecht. Man weiß nie, was dort passiert." Und das könnte auch am Freitag so bleiben. Denn: Bisher hat das Bundesgericht noch nie ein Urteil des Sportgerichts gekippt.
Hertha-Manager Preetz von Präsidentschafts-Kandidat kritisiert
Während bei der Fortuna erst am Mittwoch wieder trainiert wird, fand bei Hertha das geplante Training unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Falls es doch noch zu einem Wiederholungsspiel kommt, müsste Hertha nicht nur auf fünf möglicherweise gesperrte Profis, sondern auch die Nationalspieler Roman Hubnik und Adrian Ramos verzichten. Hubnik weilt schon bei Tschechiens EM-Auswahl, Kolumbiens Nationalmannschaft spielt am 3. Juni gegen Peru. Hertha muss Ramos daher ab 29. Mai freistellen.
Unterdessen gerät Hertha-Manager Michael Preetz immer mehr in die Kritik. "Wir haben chaotische drei Jahre hinter uns gebracht. Michael Preetz muss verantworten, dass wir zweimal hintereinander von der 1. in die 2. Bundesliga abgestiegen sind", sagte Präsidiums-Mitglied Ingmar Pering am Montagabend im Fernsehsender TV Berlin.
Er erklärte zudem, dass die überwiegende Mehrheit des bisherigen Hertha-Präsidiums und potenziellen Kandidaten gegen eine Weiterbeschäftigung von Preetz sei. "Das widerspiegelt in etwa auch, was die große Zahl der Fans zur Zeit denkt", sagte Pering. Der 44-Jährige, der auf der Mitgliederversammlung am 29. Mai erneut für das Hertha-Präsidium kandidieren will, stellte sich damit offen gegen die Linie des Präsidenten Werner Gegenbauer, der keinen Zweifel daran aufkommen ließ, weiter mit Preetz als Manager arbeiten zu wollen.