Jürgen Klopp wirkte gefasst. Der scheidende Trainer bemühte sich um Normalität vor einem Spiel, das alles andere als normal ist. Nach sieben Erfolgsjahren bei Borussia Dortmund nimmt der 47-Jährige eine Woche vor dem Pokalfinale Abschied von den heimischen Fans. Emotionen und Tränen sind garantiert - bei Klopp und vielen der 80.667 Zuschauern in der ausverkauften Dortmunder "Fußball-Oper".
Es wird ein Spiel "mit einer speziellen Atmosphäre", sagte Klopp in seiner letzten Bundesliga-Presskonferenz für den BVB. Nein, er wolle nicht nostalgisch in das wichtige Saison-Endspiel gehen. Immerhin winke zum Ende der verkorksten Spielzeit noch die Qualifikation für die Europa League. Eine offizielle Verabschiedung vor dem Anpfiff der Partie am Samstag (15.30 Uhr) gegen Werder Bremen lehnte er deshalb ab. "Was allerdings nach dem Abpfiff passiert, weiß ich nicht", so Klopp.
Doch das bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten. Die Bilder, als sich der stets authentische Coach vor sieben Jahren aus Mainz verabschiedete und vor 30.000 Fans auf einer Bühne Rotz und Wasser heulte, sind noch in bester Erinnerung. "Alles, was ich kann, habt ihr mich werden lassen", rief Klopp damals der schluchzenden Anhängerschar zu. "Alles was ich bin, habt ihr mich werden lassen", könnte nunmehr die BVB-Version lauten.
Klopp träumt vom Pokalsieg
Es wird ein Abschied, der so emotional wird wie die zahlreichen Highlights, die Klopp den Fans bescherte. Zwei Meisterschaften (2011, 2012) und einen Pokalsieg (2012) feierten sie mit ihrem Trainer. "Ich möchte noch einmal mit gutem Grund auf dem Lastwagen um den Borsigplatz fahren", sagte Klopp und formulierte damit seinen Traum vom Pokalsieg am 30. Mai im Endspiel gegen VfL Wolfsburg.
Es wäre das Happy End eines Fußball-Märchens, das Klopp beim westfälischen Traditionsklub geschrieben hat und sich selbst spätestens mit dem Einzug ins Finale der Champions League 2013 in den Kreis der europäischen Top-Trainer katapultierte. Nur die fast abgelaufene Spielzeit sorgte für einige Kratzer.
Zweimal Meister, zweimal "Vize" - so Klopps beeindruckende Bilanz in den vergangenen vier Jahren. Doch plötzlich schien der Zauber verflogen. Als der BVB die "beschissenste Hinrunde unseres Lebens" auf Rang 17 abschloss, wurde der Magier Klopp in den Medien erstmals in Frage gestellt. "Am 19. Spieltag habe ich zum ersten Mal gedacht, es könnte eng werden", berichtete Klopp. An jenem 4. Februar dümpelte die Borussia auf dem letzten Tabellenplatz. Der ansonsten selbstbewusste und charismatische Trainer wirkte ratlos und frustriert.
Klopp: "Bin nicht mehr der perfekte Trainer für diesen Verein"
Selbst der Aufschwung in der Rückrunde ließ Klopps Gedanken an das vorzeitige Ende der ursprünglich bis 2018 geplanten Ära reifen. Es wuchs das Gefühl, "das ich nicht mehr der perfekte Trainer für diesen außergewöhnlichen Verein bin". Am 15. April versetzte die überraschende Ankündigung seines Rücktritts die bundesweit sieben Millionen BVB-Sympathisanten in eine Schockstarre.
Klopp und auch die Mannschaft wirkten danach wie von einer Zentnerlast gefreit. Die Aufholjagd könnte trotz der bislang 14 Saison-Niederlagen in der Bundesliga - so viele wurden zuletzt vor 29 Jahren registriert - in der Europa League enden. "Man kann sich nicht vorstellen, wie dankbar wir dafür sind, dass wir uns heute mit solchen Zielen beschäftigen können", meinte Klopp.
Um die Europa League als etwas Großes zu empfinden, müsse man durch ein Tal gegangen sein, ist Klopp überzeugt. Dort biete sich dem BVB die große Chance, weiter an einer großartigen Geschichte zu schreiben. Allerdings mit Thomas Tuchel auf der Bank. Welche schweres Erbe der Ex-Mainzer antritt, wird allein die Gänsehaut-Atmosphäre am Samstagnachmittag, spätesten ab 17.20 Uhr, beweisen.