In letzter Minute kosteten die altbekannten Schwächen bei Standards und im Abschluss den HSV zwar einen hochverdienten Sieg bei Borussia Mönchengladbach. Doch trotz des bitteren 2:2 geben Spielverlauf und Leistung Anlass zur Hoffnung für die Hamburger.
"Wir haben uns angestellt wie eine Kindergartentruppe", schimpfte René Adler nach Schlusspfiff in Gladbach laut welt.de. Nicht nur die reihenweise, teilweise sogar ziemlich kläglich versiebten Torgelegenheiten hatten den Torhüter so auf die Palme gebracht, sondern vor allem die Nachlässigkeit beim Freistoß in fast letzter Sekunde, mit dem sich der HSV noch um den fast schon sicheren Dreier gebracht hatte.
Marcus Berg hatte bei einem Freistoß von Juan Arango im Strafraum nicht auf Alvaro Dominguez aufgepasst, sodass der Gladbacher weitgehend unbedrängt per Kopf ausgleichen konnte. Schon dem zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich für die Fohlen war eine Standardsituation vorausgegangen. Martin Stranzl hatte sich nach einer Arango-Ecke gegen Heiko Westermann durchgesetzt - zwar sehr rustikal, aber zumindest für Referee Deniz Aytekin regelgerecht -, eingeköpft und die Schwäche der Hamburger nach ruhenden Bällen (schon fünf Gegentore) erneut offengelegt.
Bitter für den HSV. Denn schließlich waren es die einzigen beiden Chancen gewesen, die die diszipliniert und kompakt aufgetretene HSV-Hintermannschaft zugelassen hatte und auch die daraus resultierenden beiden Gegentore wären mit besserem Stellungsspiel durchaus vermeidbar gewesen. So hatte sich die Mannschaft "mit dem Arsch" eingerissen, "was wir uns in 90 Minuten aufgebaut hatten", wie Adler weiter schimpfte. Seine Mannschaft hatte das Spiel dominiert, ihre mit Abstand beste Leistung seit langem abgeliefert und war durch ein Traumtor von Rafael van der Vaart und einen Treffer von Artjoms Rudnevs zweimal in Führung gegangen.
HSV lässt zu viele Chancen liegen
Doch insgesamt gingen die Hamburger zu nachlässig mit ihren Chancen um - vor allem, nachdem der Platzverweis gegen Stranzl ihnen eine 37-minütige Überzahl beschert hatte. Van der Vaart, der ansonsten für viel Torgefahr und mit seinen präzisen Pässen erheblich zum verbesserten Spiel des HSV und der großen Überlegenheit im Mittelfeld beigetragen hatte, semmelte den auf das Stranzl-Foul an Ivo Ilicevic folgenden Elfmeter nur an den Pfosten. Ansonsten versäumte die Thorsten Fink-Elf es, ihre Konter konsequent zu Ende zu spielen, Ilicevic und Rudnevs ließen weitere dicke Möglichkeiten liegen.
Die Fahrlässigkeit wurde am Ende bitter bestraft. "Das Remis fühlt sich an wie ein 0:6", konnte sich Marcell Jansen laut abendblatt.de daher auch nicht über den Punktgewinn gegen den eigentlich deutlich stärker eingeschätzten Gegner freuen. "Es ist einfach schade, wir haben so gut gespielt, wir hätten es verdient gehabt zu gewinnen, kommentierte auch van der Vaart trotz der im Vergleich zu den ersten Auftritten der Saison gegen Nürnberg, Bremen und Frankfurt und auch zum Sieg über Borussia Dortmund deutlich erkennbaren Leistungssprung, zerknirscht bei Sky.
Die Neueinkäufe Milan Badelj und van der Vaart haben als neue Dreh- und Angelpunkte an diesem Aufschwung erheblichen Anteil. Noch besser als der Niederländer spielte der Kroate gegen Gladbach. Eindrucksvoll war, dass er nicht nur die meisten seiner Zweikämpfe gewann, van der Vaart den Rücken frei hielt, sich passsicher im Aufbauspiel zeigte, sondern mit perfekter Flanke auch den Treffer von Rudnevs einleitete. Kann der HSV diesen Formanstieg konservieren, sollte das Abstiegsgespenst schnell vertrieben werden können.
HSV sucht nach neuem Stürmer
Hilfreich wäre allerdings eine bessere Chancenverwertung. Dafür scheint man in Hamburg bereits die Fühler nach einem neuen Stürmer auszustrecken und nach Informationen von "Rund um den Ball" bei unseren Kollegen von spox.com, Interesse an Tomer Hemed bekundet haben.
Der Israeli steht derzeit bei RCD Mallorca unter Vertrag und erzielte dort an den ersten fünf Spieltagen der Primera Division bereits vier Tore. Vor der Winterpause kann so ein Transfer allerdings nicht zustande kommen, die Hanseaten müssen daher vorerst mit ihren Bordmitteln auskommen.
Gegen Hannover muss der HSV den Sack zumachen
Auch am Wochenende gegen Hannover 96. Aber davor ist Fink nicht sonderlich Bange. "Wir müssen vorher den Sack zumachen", analysierte er nach dem Gladbach-Spiel im NDR, blickte angesichts der "besten Leistung, seit ich hier Trainer bin" aber zuversichtlich auf die nächste Aufgabe: "Wir können auf der Leistung aufbauen. In der 89. Minute müssen wir allerdings dann auch den Ball halten und dürfen uns da keinen Fehler mehr machen."
Nicht, dass die Mannschaft auch im Nordduell stark spielt, am Ende jedoch wieder "die ganze Scheiße umsonst" war, wie Dennis Diekmeier auf dem Weg in die Kabine des Borussia Park geschimpft hatte.