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"Es ist klar, dass ich benutzt wurde", gab Menotti im Rückblick laut FAZ zu. "Dass die Macht den Sport ausnutzt, das ist so alt wie die Menschheit." Dass er aber von Mord und Folter, die insgesamt knapp 30.000 Menschen das Leben gekostet hatten, etwas gewusst hätte, streitet er auch heute noch vehement ab.
Spieler und Fußball-Romantiker verehren ihn
"Entweder liebt man ihn oder hasst ihn", erklärte Hugo Navarro, ein Kenner des argentinischen Fußballs, einst gegenüber der dpa wie Menotti die Argentinier spaltet. Wer unter ihm trainiert hat, der gehört zur ersten Kategorie. "Immer wenn El Flaco etwas sagte, wurde ich innerlich ganz still", erinnerte sich beispielhaft Diego Maradona bei fifa.com. "Weil El Flaco einfach Gott ist." Bernd Schuster hielt vor allem auf die menschlichen Qualitäten des Coaches große Stücke. "Für den hätte ich jemanden umgebracht", erklärte er im Spiegel.
Aber auch Fußball-Romantiker verehren Menotti, der sich seinen Ruf als Intellektueller und Philosoph mit seiner Theorie vom linken und rechten Fußball erwarb, die er seine Zweitkarriere als Journalist und Kolumnist immer wieder in Erinnerung rief. Linker Fußball, so seine Idee, vermittle Lebensfreude, stehe für offensives Feuerwerk, während der rechte nur dem Profit diene und den Sieg mit allen nur erdenklichen Mitteln erreichen wolle. Mit fantasielos errungenen Erfolgen könne man allerdings nicht die Herzen der Fans erreichen. Aber jubeln Fans nicht auch über einen wenig schön anzuschauenden Sieg? Über einen Pokal, der nicht mit einem Offensivfestival errungen wurde?
Romantische Vorstellung, aber nicht mehr umsetzbar
Vieles von dem, was der heute 72-Jährige über Fußball äußert entspringt seiner romantischen Vorstellung von einer besseren, gerechteren, ja idealen Welt. "Ich möchte eine Fußballmannschaft sehen, auf deren Trikot nicht irgendein Firmenname steht, sondern einfach das Wort nein. Ein nein zum Geschäft, das den Fußball auffrisst", schrieb er im letzten Jahr noch in einem Beitrag für Die Zeit.
Angesichts des mittlerweile zum Milliarden-Geschäfts entwickelten Fußball eine doch sehr utopische Vorstellung, vor deren Hintergrund es allerdings nicht verwundert, dass Menotti im modernen Fußball Orientierungsschwierigkeiten plagen.
"Ich gestehe, dass ich nicht mehr weiß, was heute gespielt wird. Ich verstehe es nicht mehr", erklärte er gegenüber 11freunde.de fußballtechnisch im Nebel zu stochern. Die Zukunft hat Menottis Ideen - so charmant sie auch sein mögen - mittlerweile genauso zu einem Relikt einer längst vergangenen Zeit werden lassen wie 70er-Jahre Detektive, und den reflexartigen Griff zur Zigarette.
Malte Asmus