
Was ist bloß aus dieser Tennisnation geworden, die jahrzehntelang Megastars und Grand Slam-Sieger wie Connors, McEnroe, Sampras oder Agassi produzierte? Die US-Herren rangieren mittlerweile nur noch unter Ferner Liefen. sportal.de sucht Gründe für den Absturz der einstigen Weltmacht.
Als Stanislas Wawrinka im Drittrundenmatch der Australian Open gegen Sam Querrey seinen insgesamt vierten Matchball mit einer krachenden Rückhand-Longline verwandelt und damit den letzten verbliebenen US-Amerikaner aus der Männerkonkurrenz geworfen hatte, war das seit nun mittlerweile drei Jahren vertraute Bild vom ersten Grand Slam-Turnier des Jahres erneut zementiert. Kein einziger Amerikaner hatte die zweite Woche erreicht, auch im 37. Anlauf seit Andy Roddicks US-Open-Triumph 2003 gingen die USA bei einem Major leer aus.
Gut, mit einem Sieg in Melbourne hatte angesichts der Überlegenheit von Novak Djokovic, Andy Murray und Roger Federer ohnehin niemand gerechnet, zumal mit dem mittlerweile an Nummer 16 der ATP-Weltrangliste geführten John Isner und der Nummer 31 Mardy Fish zwei der noch am ehesten dazu fähigen Kandidaten verletzt hatten absagen müssen. Dass es für die anderen sieben im Hauptfeld von Melbourne gestarteten Spieler aber nicht einmal zum Sprung in die vierte Runde reichte, unterstrich den derzeitigen Zustand des Herrentennis der USA überdeutlich: Die einstige Weltmacht ist nur noch eine Nation unter vielen.
Connors, Sampras, Agassi, Roddick und dann?
Die Zeiten, in denen US-Spieler in vorderster Front die Tenniswelt bestimmten, sind längst vorbei. Auf Jimmy Connors, Arthur Ashe und John McEnroe waren Andre Agassi, Pete Sampras, Jim Courier oder Michael Chang gefolgt, die zwischen 1990 und 1999 21 aller 40 ausgetragenen Grand Slams gewinnen konnten. Danach brachte das US-Tennis immerhin noch Andy Roddick hervor. Der gewann die US Open, führte auch die Weltrangliste 13 Wochen lang an.
Sein guter Aufschlag und die krachende Vorhand reichten allerdings nicht aus, um gegen die Allroundqualitäten von Rafael Nadal und Roger Federer ganz oben an der Spitze auf Dauer mithalten zu können. Der langsame Abstieg des US-Herrentennis begann. Am 8. Mai 2011 wurde erstmals seit Einführung der Computer-Weltrangliste kein US-Profi mehr unter den Top Ten geführt. Die Damen haben immerhin noch Serena Williams und vielleicht Newcomerin Sloane Stephens, bei den Herren versuchen die früh gehypten Donald Young und Ryan Harrison gegen ihr Image als ewige Talente anzukämpfen.
Die Tenniswelt ist an den USA vorbeigezogen
Mittlerweile sind die USA erneut weit von den Top Ten-Platzierungen entfernt. Mit drei Spielern in den Top 30 (Querrey selbst ist derzeit 20.), aber keinem unter den ersten 15, agieren die USA in etwa auf dem derzeitigen Leistungslevel von bestenfalls Deutschland - und "Made in Germany" ist zumindest im Tennis derzeit kein besonderes Gütesiegel mehr. Zum Vergleich: Spanien steht mit gleich drei Spielern in den Top 11, Frankreich hat zwei in den Top Ten, drei in den Top 20 und sieben in den Top 60, Serbien hat ebenfalls zwei Top Ten-Spieler, darunter die Nummer eins.
Argentinien rangiert mit zwei Spielern in den Top 12 und insgesamt sieben Spielern in den Top 100. Und sogar die kleine Schweiz hat zwei Spieler in den Top 17. Die Zahlen beweisen das, was Patrick McEnroe, immerhin seit 2008 Verantwortlicher des US-Verbandes USTA für die Entwicklung des Tennis-Nachwuchses, laut espn.com noch relativ verharmlosend mit "Ich glaube, wir haben da einige Arbeit zu verrichten" ausdrückte. Doch wo liegen die Gründe für die Probleme des Tennissports in den USA?
Globalisierung als ein entscheidender Faktor
Zum einen ist die Sportart globaler geworden. Während zu Beginn der Open-Ära 1968 die meisten Spieler aus den USA, Australien und Großbritannien gekommen waren und bis zu Beginn der 90er nur in wenigen Ländern ernsthaft professionell Tennis gespielt wurde, drängen mittlerweile immer mehr Spieler auch aus kleineren Ländern auf die Tennislandkarte. Die Öffnung des Eisernen Vorhangs Anfang der Neunziger Jahre trug erheblich dazu bei, die Konkurrenzsituation für die US-Spieler noch deutlich zu vergrößern.