
Der sportal.de-Halbzeit-Check geht in seine dritte Runde. Heute an der Reihe: der FC Augsburg. Wohin geht die Reise eines der absoluten Überraschungsteams dieser Saison? Wir wagen einen Ausblick.
Der Fußball, so heißt es allenthalben, sei ein schnelllebiges Geschäft. Was heute wie in Stein gemeißelt scheint, kann morgen schon Vergangenheit sein. Wie schnell sich die Dinge im Fußball ändern können, soll an folgendem Beispiel aufgezeigt werden: Den Einschätzungen selbsternannter Experten zum Leistungsvermögen bestimmter Mannschaften. Noch ehe die Saison begonnen hat, werden gerne Titel wie "Meisterschaftskandidat" oder auch, etwas weniger schmeichelhaft, "Absteiger Nr. 1, 2 und 3" verliehen.
Während sich die Zuteilung von Ersterem einfach darstellt, gestaltet sich die Bestimmung des Kandidatenkreises letzterer Kategorie meist diffiziler - und fällt daher häufig so vollmundig wie voreilig aus. Von vielen als sicherer Absteiger der diesjährigen Saison gehandelt, zeigt der FC Augsburg der Hinrunde 13/14 in eindrucksvollem Maße, dass in diesem schnelllebigen Geschäft Fußball Totgesagte sprichwörtlich länger leben.
Vom Abstiegskandidaten zur Überraschung in der Bundesliga
Rückblende: Der FC Augsburg sichert sich nach einer famosen Rückrunde am letzten Spieltag der Saison 12/13 den kaum noch für möglich gehaltenen Klassenerhalt. 33 Punkte und der rettende 15. Platz stehen bei den Fuggerstädtern am Ende zu Buche. Focus Online sprach danach von einer "historischen Bundesliga-Rettung". Zu Recht, denn bis dato war es noch keinem Team gelungen, mit nur neun Punkten aus der Hinrunde die Klasse zu halten. Trotz dieses Husarenritts galt der FCA bei vielen Experten vor der Saison als klarer Abstiegskandidat.
Das aktuelle Arbeitszeugnis der Augsburger liest sich jedoch ein klein wenig anders: 24 Punkte, 21:25 Tore und Tabellenplatz acht nach Spieltag 17. Noch nie hatte man zum Ende der ersten Saisonhälfte in der Bundesliga mehr Punkte geholt. Historisch, schon wieder. So mag sich der eine oder andere Experte beim Anblick der derzeitigen Tabellensituation die Augen reiben, wenn er die Augsburger teilweise deutlich höher rangiert sieht als die Etablierten wie den HSV, VfB Stuttgart oder auch Werder Bremen. Clubs, die allesamt über einen wesentlich höheren Spieleretat verfügen. Wichtiger aber noch: Zum Relegationsplatz 16 sind es bereits ganze zehn Punkte Abstand. Kurzum: Augsburg packt den Klassenerhalt. sportal.de nennt die Gründe dafür.
Das neue Selbstbewusstsein
Wie FCA-Manager Stefan Reuter unlängst der Online-Ausgabe der Augsburger Allgemeinen sagte, stecke in der Mannschaft von Trainer Weinzierl ein "sehr guter Kern", der aus den Erlebnissen rund um den Abstiegskampf der Vorsaison ein selbstbewusstes Auftreten entwickelt habe.
Wie selbstbewusst die Augsburger derzeit tatsächlich sind, untermauerte Reuter selbst bei Bild.de: "Unser Ziel ist es, im Konzert der Großen mitzuspielen und die ganz Großen versuchen zu ärgern. Das ist uns ja teilweise auch schon gelungen." Dennoch müsse man realistisch bleiben: "Jeden Punkt den wir jetzt sammeln, ist für den Klassenerhalt, bremst sich Reuter schnell wieder in seiner Euphorie und offenbart damit seinen Zwiespalt, aus dem Bewusstsein von der eigenen Stärke Ziele zu formulieren, die nicht einer gewissen zweckdienlichen Tiefstapelei entbehren.
Mag auch die Horror-Hinrunde der Vorsaison berechtigterweise zu Bescheidenheit und Demut gemahnen - den FCA angesichts seiner bisher abgelieferten Darbietungen als bloßen Punktesammler für den Klassenerhalt wahrzunehmen, fällt schwer. Nicht zuletzt das mehr als achtbare und beherzte Auftreten im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen die Bayern (0:2) machte deutlich: diese Mannschaft, in der Form, kann mehr als nur Abstiegskampf.
Ein Höhenflug, der viele Namen trägt
Auf der Suche nach den Urhebern des momentanen Augsburger Höhenflugs lässt sich mit vielen Namen jonglieren. Beginnen wollen wir mit dem Mann, der vielen als Vater des Erfolges gilt: Markus Weinzierl. Mit gerade mal 39 Jahren jüngster Trainer der Bundesliga, wirkt er durch seine sachliche und kompetente Art bereits wie ein alter Hase im Geschäft. In nur eineinhalb Jahren als Trainer des FCA hat er gemeinsam mit seinen Spielern beinahe sämtliche Höhen und Tiefen des Abstiegskampfes ausloten müssen.
Das schweißt zusammen, und härtet ab. 2012 war er von Drittligist Jahn Regensburg zu den Schwaben gekommen und hatte bis dahin keinerlei Erfahrung als Bundesliga-Trainer gesammelt. Das Greenhorn von Deutschlands Fußball-Oberhaus auch grün hinter den Ohren? Mitnichten. In kürzester Zeit hat er seiner Mannschaft die Stärken implementieren können, die auch ihn auszeichnen: Akribie, Selbstbewusstsein, Teamgeist.
"Markus ist immer souverän, reagiert nie dünnhäutig. Das ist ein Schlüssel zum Erfolg", lobt ihn Manager Reuter bei Spox. Dank der mannschaftlichen Geschlossenheit, in der ein Rad ins andere greift, konnten die Augsburger ihren eigenen Stil aus konzentriertem Spielaufbau, dynamischem Kombinationsspiel und Laufbereitschaft umsetzen. "Wenn nicht jeder an einem Strang ziehen würde" so Weinzierl, "würde unser System, unsere Vorstellung vom Fußball überhaupt nicht funktionieren".
Es funktioniert. Tabellenplatz acht ist nun der gerechte Lohn. Wie wichtig diese Geschlossenheit auch abseits des Spielfelds ist, stellt Neuzugang Halil Altintop heraus: "Hier wird Teamspirit großgeschrieben. Und das spiegelt sich auch in den Leistungen wieder." Über Weinzierl sagt er bei Spox: "Seine Handschrift ist sehr deutlich zu erkennen. Das hat man von Anfang an gesehen."
Glückliches Händchen nicht nur bei Hitz
Zum Erfolg des Systems Weinzierl trägt Altintop maßgeblich selbst bei. Gemeinhin als Stürmer bekannt, agierte er in dieser Saison bisher zumeist in der Zentrale hinter der Spitze und machte sich mit guten Leistungen und fünf Saisontreffern sowie einer Torvorlage schnell unentbehrlich.
Auch André Hahn, vor einem Jahr noch für Kickers Offenbach in der dritten Liga aktiv, wirbelte fleißig im Mittelfeld und ist mit seinen bisher sechs Saisontoren Augsburgs bester Torschütze. Bei beiden hat die Vereinsführung um Manager Stefan Reuter, auch einer dieser Erfolgsgaranten, ein gutes Händchen bewiesen.
Apropos gutes Händchen: Weinzierls Entscheidung, im Tor auf Marwin Hitz statt Alexander Manninger zu setzen, hat sich bisher ausbezahlt. Vier der neun Partien, in denen der Schweizer Hitz zwischen den Pfosten stand, wurden zu Null gespielt. Seine starken Leistungen und ein Notendurchschnitt von 2,83 brachten ihm zudem die Spitzenposition unter den Torhütern beim sportal-Spielerranking ein.
In die Kategorie der Unverzichtbaren gehört zweifelsohne auch Daniel Baier. Er ist der Denker und Lenker im Spiel der Augsburger. Selten ein spieleröffnender Pass oder eine Kombination, deren Ausgangspunkt sich nicht zu ihm zurückverfolgen ließe. Mit 25 Gegentoren stellt der FCA die derzeit siebtbeste Defensive der Liga. Nicht zuletzt ein Verdienst der Hinterleute um Kapitän Paul Verhaegh, Ragner Klavan oder auch Jan-Ingwer Callsen-Bracker.
Hinten hui, vorne pfui
Soweit die Lobeshymnen. Der starken Defensivleistung steht nach 17 Spieltagen unverkennbar die mangelhafte Torausbeute der Augsburger gegenüber, die sich besonders an der derzeitigen Flaute der Angriffs-Abteilung offenbart. Klammert man Altintop aus genannten Gründen vom Angriff aus, so gingen von den insgesamt 21 Augsburger Treffern nur 4 auf das Konto der etat-mäßigen Stürmer Mölders (2), Bobadilla (1) und Milik (1). Liga-Tiefstwert.
Dabei ist es keineswegs so, dass man nicht genügend Zug zu des Gegners Tor hätte entwickeln können. Mit 245 abgegeben Torschüssen ließ der FCA in dieser Statistik elf andere Teams hinter sich, musste in Sachen Saisontore aber auch 12 anderen Teams den Vorzug lassen. Für Abhilfe soll hier Linksaußen Alexander Esswein sorgen, den man jüngst von Konkurrent Nürnberg loseisen konnte.
Dass Raúl Bobadilla aufgrund eines Innenbandrisses im Knie 3 Monate ausfiel und Arkadiusz Milik mit seinen gerade mal 19 Jahren noch Zeit benötigt, sich dem Klima der Bundesliga anzupassen, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Es besteht also durchaus noch vorhandenes Potential, dem Torekonto in der Rückrunde noch einige Posten hinzuzufügen.
Starke Bilanz gegen Abstiegskonkurrenten
Doch sind es in erster Linie die Punkte, die den Tabellenstand ausmachen. Und hier kann der FCA im wahrsten Sinne punkten. Mehr noch als die Schwächen von den derzeitigen Abstiegskampf-Konkurrenten wie Braunschweig, Freiburg oder Nürnberg, macht die eigene Stärke der Augsburger Hoffnung auf den Verbleib in Deutschlands Elite-Klasse.
Zählt man Hannover nicht zu den Abstiegskandidaten hinzu, wurde, ob auf heimischem oder auswärtigem Geläuf, kein Spiel gegen Teams dieser Kategorie verloren. Nur gegen Frankfurt kam man nicht über ein Remis hinaus (1:1). Selbst gegen qualitativ besser besetzte Mannschaften wie Stuttgart, Hoffenheim oder Hamburg verlies man den Platz als Sieger. Oder anders: Augsburg verlor keine Spiele, die nicht verloren gehen durften und gewann gar solche, die nicht zwingend gewonnen werden mussten, um die Klasse zu halten.
Augsburg außer Abstiegsgefahr
So lautet die sportal.de-Prognose für den FC Augsburg zusammengefasst: Markus Weinzierl hat aus seinem Team einen verschworenen Haufen gemacht, der mit seinen vergleichsweise geringen Mitteln eine sensationelle Hinrunde gespielt hat. Das dadurch noch weiter gewachsene Selbstvertrauen gilt es jetzt in die Rückrunde zu konservieren, um auch auf mögliche Rückschläge entsprechend reagieren zu können. Wenn Augsburg seine Stärken im Spielaufbau und Kombinationsspiel wie bisher umsetzen kann und die Offensive den Torabschluss verbessert, ist auch ein einstelliger Tabellenplatz drin.
Auch ein Blick in die Statistik macht Mut: Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995 hat es bisher nur eine Mannschaft gegeben, die mit mindestens 24 Punkten aus der Hinrunde doch noch den Klassenerhalt verspielt hat: Eintracht Frankfurt in der Saison 10/11. So oder so: Der Abstiegskampf findet dieses Jahr ohne Weinzierls Truppe statt. Der FC Augsburg bleibt erstklassig und ist so lebendig wie zuvor. Chapaeu!