
"Ceterum censeo Carthaginem delendam esse" - "Im Übrigen meine ich, Karthago sei zu zerstören". Wie Cato der Ältere wird sportal.de nicht müde, die Absurdität der TV-Verträge der Bundesliga zu geißeln, wozu es an diesem Wochenende wieder akuten Anlass gibt.
1) Wird die Bundesliga jemals vernünftige Spielpläne haben?
Das kommende Bundesligawochenende ist ein gutes Beispiel dafür, was alles schief läuft mit den Spielplanansetzungen. Es gibt kein Freitagsspiel - das gilt aber nur für die Bundesliga. Dieser möchte man die kurze Abfolge von Länderspielen am Mittwoch und Pflichtspiel am Freitag nicht zumuten. Ein nachvollziehbarer Ansatz - aber warum gilt er weder für Zweitligisten noch nach Europapokalspielen?
Kaiserslautern musste in dieser Länderspielwoche am Montag und am Freitag spielen. Konstantinos Fortounis etwa war Anfang der Woche beim wichtigen Sechspunktespiel des FCK bei den Löwen schon bei der Nationalelf (Abstellungsfrist), und 48 Stunden nach seinem Einsatz in Griechenland gegen die Schweiz mag es am Freitagabend auch fittere Profis zur Auswahl geben.
Könnte man im Fall der Zweitligisten noch sagen, dass die Anzahl der abgestellten Spieler hier immerhin im Schnitt eher gering ist, so wird es bei der Europa League völlig absurd. Zwar sehen die Fernsehverträge einige Wochenenden im Jahr vor, an denen es ein drittes Sonntagsspiel in der Bundesliga geben darf (aber kein viertes), aber dafür steht nur ein bestimmtes Kontingent zur Verfügung, das schon im Laufe der Hinrunde aufgebraucht war. Bereits im November musste erstmals ein Bundesligist eineinhalb Tage nach einem Europacupspiel in der Bundesliga wieder antreten.
Was da noch Ausnahme war, ist ab sofort die Regel für zwei Clubs an jedem Spieltag, solange vier Bundesligisten noch in der Europa League vertreten sind. Bisher traf es Hannover (eineinhalb Tage nach Spiel gegen Twente beim FC Bayern) und Stuttgart (eineinhalb Tage nach Spiel gegen Molde gegen Schalke). Im Februar werden Leverkusen (eineinhalb Tage nach Benfica gegen Augsburg), Mönchengladbach (eineinhalb Tage nach Lazio beim HSV), wieder Stuttgart (eineinhalb Tage nach dem Auswärtsspiel in Genk gegen Nürnberg) und wieder Hannover (eineinhalb Tage nach Anzhi Makhachkala beim HSV) betroffen sein. Im März wird es dann nach jetzigem Stand alle vier Clubs erneut treffen.
Wenn ein oder mehrere Bundesligisten in der Champions League Dritter ihrer Vorrundengruppen geworden wären, dann wären entsprechend sogar noch mehr Clubs betroffen gewesen. Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass es keine andere Liga gibt, die so verfährt. Die Bundesliga ist die einzige Spielklasse, die ihren Topclubs solche Wettbewerbsnachteile (denn darum geht es) zumutet. Warum ist das eigentlich so?
Der Grund sind die inflexiblen TV-Verträge, speziell mit der ARD. Denn die will in der Sportschau am Samstag nicht auf Topspiele verzichten. Also ist es kein Problem, wie an diesem Wochenende sieben Spiele am Samstag auszutragen (am Freitagabend hat die ARD kein Interesse), und es ist auch kein Thema, dass die Zweitligisten nie mit einem Tag Pause auskommen müssen, etwa in Pokal- oder Englischen Wochen.
Die üblichen Gegenargumente, das sei ja für einen Fußballprofi "nicht so schlimm", mal zwei Spiele in drei Tagen auszutragen, gehen am Thema vorbei. Natürlich ist es nicht "schlimm", es ist aber ein Nachteil, geringere Regenerationszeit zu haben. Dass das allgemein von allen Beteiligten so gesehen wird, zeigt die Praxis im gesamten Ausland ebenso wie der Umgang mit allen Fällen, in denen nicht die Sportschau betroffen ist. Da gibt es nämlich nie (und zwar wirklich nie, ohne Ausnahme) zwei Spiele in drei Tagen. Das kommt nur wegen der ARD vor.
Der anstehende 21. Spieltag bietet übrigens vier echte Leckerbissen am Samstag (Bayern - Schalke, Dortmund - HSV, Stuttgart - Bremen und Mönchengladbach - Leverkusen), und dafür wird am Sonntag voll auf Zweitligaatmosphäre gesetzt, wenn Augsburg gegen Mainz und Freiburg gegen Düsseldorf spielt. Das will zwar die Sportschau auch nicht zeigen, aber in diesem Fall macht es Sinn, weil so die sieben im Europacup aktven Bundesligisten alle am Samstag spielen und einen Tag mehr Zeit haben, sich vorzubereiten.
Geht doch: Eine am Sportlichen orientierte Entscheidung in einer Liga, die sich angesichts des bevorstehenden Guardiola-Transfers damit brüstete, hier gehe "nicht alles ums Geld" - und als einzige Liga Europas für mehr Fernsehgeld ihre erfolgreichsten Clubs bestraft.
2) Ist Fürth besser als Tasmania?
Vier Tore hat die Spielvereinigung Fürth in dieser Saison in der sogenannten Trolli-Arena erzielt. Dass das älteste noch vom gleichen Club bespielte Stadion Deutschlands, der Ronhof, einen solchen Namen nicht verdient hat, erwähnten wir übrigens früher bereits. Edu beim 1:1 gegen Werder Bremen, Bernd Nehrig und Edgar Prib beim 2:4 gegen Borussia Mönchengladbach sowie Lasse Sobiech beim 1:1 gegen Augsburg erzielten die historischen Treffer.
In der Geschichte der Bundesliga finden sich außer dem Kleeblatt nur zwei Fälle von Clubs, die nach 20 Spieltagen weniger als fünf Tore vor eigenem Publikum erzielt hatten. Beide kamen aus Berlin. Hertha BSC hatte in der desolaten Saison 1990/91 erst drei Tore erzielt, durch Uwe Rahn, Dirk Greiser und Axel Kruse. Zwischenzeitlich blieb die Hertha ein halbes Jahr lang ohne ein einziges Heimtor - von Oktober bis April. Dass die Berliner am Saisonende mit 13 Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz abstiegen, kann nicht überraschen.
Das andere Beispiel stammt aus der Saison 1965/66 und dürfte bekannt sein: Auch Tasmania Berlin hatte nach 20 Spielen erst drei Treffer im eigenen Stadion erzielt - und beendete die Saison als schlechtester Bundesligist aller Zeiten. Diese Vergleiche zeigen, in welcher Dimension sich Fürth zurzeit bewegt.
Gibt es denn gar keine positiven Vergleiche? Doch. Hoffnung existiert. Der SC Freiburg hatte 2009/10 sogar nach 24 Spieltagen erst fünf Heimtore erzielt. Dann gewann der Sportclub vier seiner letzten sechs Heimspiele und rettete sich noch direkt. Übrigens hielt der Verein die ganze Zeit an Trainer Robin Dutt fest - und wurde dafür belohnt. Das könnte immerhin ein Beispiel für die Franken sein.
3) Erlebt Jens Keller ein Fussel-Wohlers-Deja-Vu in München?
Wir schreiben den 2. März 1991. Der akut abstiegsbedrohte FC St. Pauli ist beim scheinbar übermächtigen FC Bayern München zu Gast. Nach 90 Minuten steht es vor 15.000 Zuschauern im Olympiastadion 0:1. Ralf Sievers hatte in der 43. Minute den Goldenen Treffer für die Hamburger erzielt, der ihnen in der Endabrechnung nichts nutzen sollte. Trotz dem Erfolg in München und einem 1:0 gegen den späteren Meister Kaiserslautern musste Feuerwehrmann Horst Fussel Wohlers nach der verlorenen Relegation den Hut nehmen.
Ganz so schlecht wie damals St. Pauli steht Schalke 04 bei weitem nicht da, den Abstieg sehen wohl auch die größten Krisenbeschwörer noch nicht als gegeben an. Dass Jens Keller nach einem Unentschieden in Augsburg und einer Heimniederlage gegen Fürth jedoch ein Fussel-Wohlers-Erlebnis in einer sicher besser gefüllten Allianz Arena herbeisehnt, dürfte kein Geheimnis sein. Und Raffael könnte sein Ralf Sievers sein - Sievers hatte 1991 vor dem Bayern-Gastspiel genau wie der Brasilianer derzeit noch keinen Treffer auf dem Konto.
Mit einem 1:0 in München sollten die Parallelen dann doch lieber enden für die Schalker. Neben dem Abstieg für St. Pauli schnupperten auch Wohlers und Sievers nie wieder Bundesliga-Luft. Während die Lüneburger Fußball-Legende Sievers nach zwei Zweitliga-Jahre seine aktive Zeit beim Heimatclub SK ausklingen ließ, nahm Fussel nie wieder auf einer Bundesliga-Bank Platz.